Tag für Tag hat nun der Winter neue Angriffe gegen die Stadt geführt und so nach und nach tatsächlich etwas winterliche Stimmung gezaubert. Nur in vertretbarem Maße - versteht sich! Die Stadt muss schließlich sparen. So ist das Zittern der Geschäftsleute vom Neustädter See weniger kälte- sondern mehr zoobedingt, sagen sie. Sorgen bereitet nicht so sehr eine zu befürchtende Luchsmassenflucht, sondern die erwogene Schließung der Magistrale "Am Vogelgesang". Um im internationalen Zoogeschäft mithalten zu können, beabsichtigt nämlich der Magdeburger Zoo eine Erweiterung seines Geländes. (Alleine der Flächenbedarf für das Tigerwelpenschlachthaus stellt den Zoo vor ernste Probleme!) Ins Auge gefasst hat man eine Fläche östlich des Zoos. Als nachteilig erweist sich jedoch die Tatsache, dass der Zoo nicht direkt angrenzt, sondern die Verkehrsader Am Vogelgesang eine trennende Wirkung entfaltet. Da eine Luftbrücke dem steuerzahlenden Steuerzahler (abgesehen von russischen Blockaden) nur schwer zu vermitteln ist, ergab sich die Idee, der Straße Am Vogelgesang wieder mehr Identität mit ihrem Namen zu verschaffen und sie ... nunja ... also ... zu schließen.
Amargedon! Sintflut! Musikantenstadl! Nur mit diesen Katastrophen ist die Zukunft des Stadtteils Neustädter See noch einigermaßen realistisch zu umschreiben, so die ziemlich einhellige Antwort der Bewohner. Nun ist - Hand aufs Herz - die Straße Am Vogelgesang wirklich nur als Schleichweg von Bedeutung. Gebe es sie nicht - keiner käme auf den Gedanken sie zu bauen. Dass die Leute vor Ort ihre liebgewordene Schleichtrasse erhalten wollen - wer wollte es ihnen verdenken. Das Heulen und Zähneklappern der örtlichen Wirtschaft wirkt aber doch etwas aufgesetzt. Wie es der Zufall will war wegen Bauarbeiten die Straße jüngst für fünf Wochen gesperrt (wie jede zweite andere Straße in Magdeburg auch). Die bekundeten Erfahrungswerte der Geschäftsleute: "verheerend", "extreme Einbußen". Da sollte man sich ja vielleicht doch erst einmal die Umsatzzahlen zeigen lassen. Dass die auf die Versorgung der Bewohner des Plattenbaustadtteils ausgerichteten Gewerbe (Aldi) und die von der Nähe des Sees Profitierenden (Bayrischer Krug) ernsthaft nennenswert auf den Schleichweg angewiesen sein sollen, der auch nicht ernsthaft zu Durchgangsverkehr und somit Laufkundschaft führt, mag man nicht wirklich glauben. Angesichts der sehr starken Worte drängt sich so ein wenig der Verdacht auf, dass hier mit dem Totschlagsargument Wirtschaft eine als missliebig empfundene Planung in den großen Rundordner befördert werden soll. Das wäre nicht sooo nett.
Schon peinlich wirken die Hinweise, Aldi habe mitgeteilt, dass es nach Aufgabe der in ihrerer Bedeutung kaum zu unterschätzenden Straße, den Standort nicht mehr für wirtschaftlich hält. Bei einigen 1000 Wohnungen in Sichtweite! Die rührende Standortsorge wäre sinnvoller gewesen, als die Stadtväter (und vereinzelte Stadtmütter) das Band zum 100. oder doch zumindest zum 150. Discounter in der Stadt stolz durchtrennten. (Wenn mehr Discounter als Einwohner vorhanden sind, ist die Marktsättigung nicht mehr weit.) Dass ein seine Besucherzahlen haltender oder ausbauender Zoo für Einzelhandel und Gaststätten auch nicht das Schlimmste wäre sei angemerkt.
Nun ja. Schmankerl am Rande war die Geschlossenheit der Verwaltung. Der Aldi-Vermieter teilte in einer örtlichen Bürgerversammlung dem Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) mit, dass ihm die Stadtverwaltung gerade schriftlich mitgeteilt habe, die Schließung der Straße sei beschlossene Sache. Trümper (Chef der Stadtverwaltung), der gerade die Entscheidung als noch offen bezeichnet hatte, teilte mit: "Das ist die Meinung der Verwaltung, dort wird aber nicht die Entscheidung getroffen." Ähm... Also ist er, als Teil der Verwaltung, doch der Meinung: Schließung ist fein? Beißt sich das nicht ein wenig mit der Aussage zur Offenheit der Entscheidung? Was bedeutet die Aussage, die Meinung der Verwaltung ist nicht identisch mit der (von der Verwaltung vorbereiteten (Zwinker, Zwinker) Entscheidung? Wann war denn eine solche fehlende Identität das letzte Mal der Fall?
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