Wenn in der Magdeburger Volksstimme die Überschrift zu lesen ist: "Wir würden zum Kuba Deutschlands..." muss man nicht lange überlegen was wohl passiert sein könnte. Klarer Fall: Der Metapher-König hat wieder unerbittlich zu geschlagen. Holger Stahlknecht (CDU, Vize-Fraktionsvorsitzender) sprudelt in dermassen bunten Bildern, dass orientalische Jahrmarkt-Unterhalter nur neidvoll erblassen können. Im Falle einer Regierung Sachsen-Anhalts durch die Linkspartei sieht der begnadete Seher ein wahrlich phänomenales Schauspiel heraufziehen. "Dann würde Sachsen-Anhalt zum Kuba Deutschlands." Das muss einem ersteinmal einfallen! Wer jetzt an Palmenstrände und karibische Schönheiten beiderlei Geschlechts denkt, hat die Sorge des Schutzherren Mitteleuropas nur zum Teil erfasst. "Wir bekämen eine HO Aldi, Edeka wäre der Intershop, wir hätten einen VEB Mercedes." geht der Behüter der freiheitlich demokratischen Grundordnung dann weiter in die Details seiner aktuellen Vision. (Wird da von langer Hand eine christdemokratische Nostradamuskonkurrenz aufgebaut?) Leider bleibt völlig offen, ob die CDU sich an der Regierung der Nationalen Front wieder beteiligen würde. Auch das Schicksal von Netto, Rewe, Kaufland - ungeklärt!
Die düstere und leider etwas ungenaue Prophezeiung löste Wulf Gallert (Linkspartei) aus. Er hatte neulich per Interview markig die "Systemfrage" gestellt, die nun kubanisch beantwortet wurde. Die Linkspartei ist immer nett bemüht, sich ein wenig revolutionär zu geben. Das Wort Systemfrage gehört da zum unabdingbaren Handwerkszeug. Etwas verschämt, der Niedergang des Sozialismus ist irgendwie in Erinnerung geblieben, fügt man dann an, dass man nur mal so innerhalb des Grundgesetzes fragt - was wiederum die Systemauswahl doch deutlich einschränkt. Da die Volksstimme nachfragte eierte man etwas konkreter: Was alle brauchen, muss allen gehören.
Da zuckt der rechtschaffende Bürger tatsächlich zusammen: Brot, Milch, Butter - volkseigen? Bevor man sich aber noch einen Hamstervorrat anlegen konnte, fragte die Volksstimme schon nach. Die Linke in Gestalt Wulf Gallerts bildete dann eine große Blase und teilt im Prinzip mit, dass man sozialdemokratisch sei und auf die Systemfrage um Gottes Willen doch keine Antwort erwarte. Wasser, Abwasser, Energie und Krankenhäuser stellen die Systemfrage dar. Während Wasser und Abwasser der Marktwirtschaft ohnehin bisher kaum zugänglich waren und überwiegend öffentlich betrieben werden, ist die Regulierung der Energienetze bis weit in die anderen Volksparteien ein heiss gehegter Wunsch. Staatliche Krankenhäuser und Pflegeheime - die laufen dufte, fast schon kubanisch. Das bestätigt die Selbsthilfegruppe "dehydrierte Senioren" Ortsgruppe Magdeburg sicherlich gern. So einen kleinen Spleen muss man der Linkspartei nun aber auch mal gönnen.
Diese Grundsatzdiskussion legt die Annahme nahe, dass der Braindrain aus Sachsen-Anhalt doch schon schlimmer ist als angenommen. Der eine gibt sich verbalradikal, ohne auch nur näherungsweise über ein entsprechendes Konzept oder Absicht zu verfügen. Der Andere weiss das. Um der für bescheuert gehaltenen Wähler willen, sieht er jedoch formal das Weltenende in Gestalt von "HO Aldi" nahen.
Vor allem naht das Ende der Glaubwürdigkeit der Akteure, wenn man nicht beginnt zumindest mal ein klitzekleinesbisschen tatsächliche Substanz in eine solche Diskussion einzubringen, wenn es einem schon nicht zu peinlich ist sie öffentlich zu führen.
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