Dienstag, August 17, 2010

Noch´n Gedicht

Volksstimme-Leserbriefe! Oh unerschöpflicher Quell erquickender geistiger Labsal! Oase des intellektuellen Austauschs, Heimstatt des Frohsinns!! Aus der Flut der Ulrichskirche-Leserbriefe (Müsste nicht langsam mal jeder dran gewesen sein?) tauchte eine wahre Perle auf. Die Biederitzer Bürger Inge-Lore und Reinhard Szibor nörgelten heute kühn am "Magdeburger Lied" herum. Grammatikalisch grob falsch, lautete das vernichtende Urteil. (Sorgen gibt´s!)

Tatsächlich weist das Magdeburger Lied einige ... nun ja ... Schwächen auf. Die von Familie Szibor angegriffene Textzeile "denn wir sind, wir sind ein Magdeburger Kind" lässt zwar durchaus noch Reserven in der Verwendung von Plural und Singular erkennen, andere Zeilen erscheinen aber erheblich bedenklicher.

"Ist den die Elbe immer noch die selbe?
Fragt sich der Dom und wundert sich."

sei beispielhaft angeführt. Selbst nach maximaler Ausnutzung gewonnener gentechnischer Erkenntnisse, sollten Fragen stellende Gebäude eine krasse Ausnahme bleiben. Merke: Wenn sie Fragen artikulierende Bauwerke bemerken: hören sie auf zu rauchen und suchen sie einen Psychiater Ihres Vertrauens auf!

"Der Omnibus fährt durch die Stadt,
die so wie wir noch Zukunft hat"

Ähm tja. Über die Ausdünnung des MVB-Netzes wurde schon öfter geklagt - wäre da nicht Präteritum "fuhr durch die Stadt" lebensnäher? Auch die besungene Zukunftsträchtigkeit ist ja nun ein ganz heißes Eisen. Schon mal was vom demographischen Wandel gehört? Müsste es letztlich nicht heißen:

"Der Omnibus fuhr durch die Stadt,
die so wie wir Geschichte hat"?

Und mal ehrlich, hätten Sie bei dem Satz:

"Wir sind vergnügt bei Regen und bei Wind."

einen typischen Magdeburger vor Augen gehabt? Wäre nicht

"Wir sind verstimmt bei Sonne und bei Wind."

für unsere Persönlichkeit irgendwie charakterisierender? Aber was soll´s. Hymne ist Hymne!

An dieser Stelle waren eigentlich ein paar unflätige Bemerkungen über das Biederitzer Liedgut vorgesehen. Leider ist solches jedoch unbekannt, so dass es bei der allgemeinen und zugegeben etwas hilflosen Drohung: "Irgendwann gemeinden wir Euch ein!" bleiben muss.

Also liebe Biederitzer! Wenn Euch unser Liedgut nicht gefällt, geht doch nach drüben ... ähm ... nach Halle! Nehmt das hier aber bitte noch mit:

"Ich kenn ein Kaff am kleinen Bach,
das viel zu viele Häuser hat.
Das kleine Nest mit B beginnt,
was einen schon bedenklich stimmt!

Der Bus fährt alle Jubeljahr,
dem Gemeinderat wird grau das Haar.
Der Staatsanwalt geht ein und aus,
und findet dicke Hunde raus.

Das Rathaus, sonst wunderschön,
vor Streifenwagen kaum zu sehn.
Wenn Rechnungshof prüft Unterlagen,
packt einen schon das Unbehagen."

Na also. Haben wir doch noch Biederitzer Liedgut aufgetan.

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7 Comments:

Anonymous Anonym said...

Und dieses neue Biederitzer Liedgut kann nun auch aktiv vor Ort bekanntgemacht werden - immerhin ist Herr Szibor Fördervereinsvorsitzender der Biederitzer Kantorei, der er sich nach Beginn seines um ein halbes Jahr verschobenen Ruhestandes auch mehr widmen will (wie am 1. April in der VS versprochen!)
Hoffen wir also, dass er dieses Ensemble nun auch zu Weltruhm führen wird und ihm so wenig Zeit zum Schreiben von Leserbriefen bleibt (die Gattin ist ja mit dem Bereiten des Abendbrotes beschäftiggt, zu dem er pünktlich zu erscheinen versprochen hat).
Spätestens seitdem der Lehrstuhl für Rechtsmedizin der OvG-Uni verlustig ging, hatte er offensichtlich schon zuviel Zeit, immer mal wieder in Lesebriefen gegen dieses und jenes zu wettern (Herr Wendenkampf wird ein Lied davon singen können...). Nun sitzt der neue Chef der Magdeburger Rechtsmedizin an der Uni Halle und Opa Szibor ist mit der Erziehung der Weltsicht seines zweijährigen Enkels nicht ganz ausgelastet.
Mein Vorschlag: Das große Latinum nachholen (oder auffrischen?), Herr Szibor. Dann könnte man mißverständliches Liedgut ins Lateinische übersetzen und der Pöbel würde nicht so verbildet, da er das sowieso nicht versteht.
(Nebenbei: Über lateinische Grammatik kann man sich unter Fachleuten noch viel erklecklicher streiten!)


Coo
(der gestern beim Lesen des Leserbriefes gedacht hat: "mußt morgen mal bei Hilde reingucken ;-))
und der sich auch bewußt ist, dass er noch mindestens einen Leserbrief zur Ulrichskirche schuldet (den die VS aber sowieso nie abdrucken würde)

9:04 AM  
Anonymous Anonym said...

Gröööhl....!!

2:02 PM  
Anonymous Ditmar said...

Großes Kino.

12:38 AM  
Blogger Speckgürtelpendler said...

Zwei ostelbische Dorfjacken haben es gewagt, am hohen Kulturgut der Landeshauptstadt herumzumäkeln. Erwartungsgemäß gibt es dafür etwas hinter die Ohren, sowohl in der VS als auch bei Hilde. Aber großartig ist doch, dass Hilde sofort reagiert hat und wir mit unserer Ketzerei eine Verkürzung der Pausen zwischen den Hilde-Artikeln provoziert haben. Was die Dichtkunst betrifft, erfüllt Hilde das, was wir meinten: Man soll beim Dichten und bei dem was man sagen will, ruhig einmal in Kauf nehmen, dass kein Reim entsteht, und man soll nicht die Grammatik ignorieren, nur um einen Reim zu erzwingen. In der 1. Strophe des hier präsentierten Vorschlages für ein Biederitz-Lied reimt sich gar nichts, aber die Grammatik stimmt! Kompliment! Aber mäkeln tun wir trotzdem, diesmal am Inhalt. Ob Biederitz zu viele Häuser hat, ist Ansichtssache. Zumindest werden immer noch welche gebaut und der Wohnungsleerstand ist im Vergleich zur Landeshauptstadt marginal. Dass das kleine Nest mit B beginnt, muss nicht bedenklich stimmen, denn es teilt diese Eigenheit immerhin mit vielen Städten und Dörfern: Berlin, Brandenburg, Bonn ...und Barleben (Letzteres ebenfalls vor den Toren von MD gelegen und nach verständlichem Magdeburger Wunsch wie Biederitz Eingemeindungskandidat!)

Im Gegensatz zu Hilde finden wir es nicht schlimm, dass im MD-Lied der Dom denkt und spricht. Da gibt es in der guten Literatur für Kinder genug Beispiele für Kommunikation zwischen unbelebten Gegenständen. Phantasie ist nicht zu beanstanden. Auch, dass so eine Hymne nicht auf alle aktuellen Entwicklungen, wie Bevölkerungsschwund und Probleme der Magdeburger Verkehrsbetriebe eingeht, muss man nicht ankreiden. Schließlich soll so eine Hymne nicht die Gegenwartsrealität eins zu eins abbilden, sondern es ist ja als Lied für die Ewigkeit gedacht!

Also 'mal im Ernst: Es geht nicht darum, ein Lied zu fordern, dass hohen intellektuellen Ansprüchen genügt oder nach dem Muster "was wollte uns der Dichter damit sagen" künftig Gegenstand von Schulaufsätzen werden könnte. Es ist nur so, dass die Muttersprache ein hohes Gut ist und deren korrekten Gebrauch lernt man in der Kindheit im wesentlichen auch durch Ausbildung eines Sprachgefühls. Dieses aber wird durch Zeilen " denn wir sind, wir sind ein Magdeburger Kind " durchaus beeinträchtigt, zumal dieser Blödsinn auch noch in Form eines Kehrreims regelrecht eingehämmert wird.

Natürlich sind wir nicht die Ersten, die diese sprachliche Unkorrektheit bemerkt haben.

Aber darauf hinzuweisen, dass dies eben nicht so eine Bagatelle ist, wie Viele meinen, hielten wir für wichtig. Dafür lassen wir uns dann auch gern den Gegenwind ins Gesicht blasen.

Reinhard Szibor

11:37 PM  
Anonymous Hein Blöd said...

Ja, wenn man keine Probleme hat.

Übersetzt doch das Magdeburger Lied einfach in Mundart als Machteburjer Lied und alles ist in Ordnung.
Übrigens, auf welcher Plattform beschwert man sich über "Ungereimtheiten" in Werken von Goethe, Schiller, Heine und anderen deutschen Dichtern, nicht zuletzt auch bei Wilhelm Busch? Ach ich Dummchen, da heißt es ja: "künstlerische Freiheit".

10:30 AM  
Anonymous Anonym said...

Wie bei Goethe, regt sich da wer auf ?

"Gute Nacht, Engel. Einzigstes, einzigstes Mädchen, und ich kenne ihrer viele."

2:12 PM  
Anonymous Anonym said...

http://de.wikipedia.org/wiki/Apostroph#Typografisch_korrekt

6:38 PM  

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