Mittwoch, März 31, 2010

Akte fällt Aktenbeauftragten an

Also das kann auch nur Sachsen-Anhalt. Der Stasibeauftragte stürzt über eigene Stasiverstrickungen. Das ist wirklich schwer zu toppen. (Naja, unser Zoodirektor ist wegen Tierquälerei angeklagt, unsere Spielbanken schrieben rote Zahlen - vielleicht ist da doch ein Muster zu erkennen.) Dann diese - eher landesuntypische - Geschwindigkeit des Geschehens! Wenn man beispielsweise erst zum frühen Nachmittag sich gemütlich hinfläzte, um ein wenig die lokale Weltpresse zu studieren und dabei im Hintergrund das Radio lief, konnte sich so etwas wie eine Störung des regionalen Raum-Zeit-Kontinuums ergeben. In der Zeitung ein absonderlichste Dinge äußernder Stasiunterlagen-Beauftragter Gerhard Ruden (CDU), der über eine zweite Amtszeit nachdenkt, im Radio seine Rücktrittserklärung.

Wenn man als Stasibeauftragter gerade einräumen muss, dass jemand zu längerer Stasihaft verurteilt wurde, weil man selbst der Staatssicherheit unschöne Details über dessen Reiseabsichten in das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet offenbarte, spricht es für eine gewisse Verkennung der Realität, eine zweite Amtszeit anzustreben. Dann die Opfer von Stasi-Verhaftung damit zu konfrontieren, dass sie nach Meinung des Beauftragten ja schließlich selbst an ihrer Verhaftung Schuld sein, ist für die Hauptzielgruppe nur ganz, ganz schwer verdaulich und verkennt ein klein wenig den durchaus auch unerfreulichen Charakter diktatorischer Unrechtssysteme.

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15 Comments:

Anonymous Anonym said...

Fakt ist sicher, viele von uns hätten damals so ähnlich gehandelt (zumal wenn sich der Freund eher als Angeber und Schwätzer geriert und man selbst das Studium nicht aufs Spiel setzen will). Aber wir würden uns heute nicht so dämlich um Kopf und Kragen quatschen. Natürlich wäre sein Freund nicht im Knast gelandet, wenn er nicht so bierselig rumposaunt hätte, was ihm an der DDR nicht gefällt, da hat Ruden schon recht, aber das kann man doch so der Volksstimme nicht erzählen. Wahrscheinlich lief ein Band mit und er hat es nicht gemerkt.
Andererseits zeigt mir das mal wieder, wie schnell man damals mit einem Bein im Knast stand, bloß weil man irgendwo mal ein falsches Wort raushaute. Wenn ich bedenke, was ich an Westkorrespondenz hatte, über Mittelsmänner Musik beim NDR bestellte (die dann auch noch gespielt wurde mit Ansage "Ein Wunsch aus Magdeburg" - habe ich als Beweis auf Band!!), dann kriege ich heute noch eine Gänsehaut, was man doch für ein Glück hatte.
Ich bleibe heute mal anonym, damit mir aus den ersten Worten niemand einen Strick dreht.

3:03 AM  
Anonymous njema problema said...

Ob mit Bier oder nicht, erstaunliche Parallelen lassen sich 42 Jahre später wohl doch erkennen: Genauso wie sein Kumpel damals hat Herr Ruden sich nun heute um Kopf und Kragen geredet. Vielleicht hatte er ja ein Herrengedeck intus? Eigentlich werden doch derlei Beiträge vor Veröffentlichung redigiert, oder? Naja, jetzt ist es raus - und das ist gut so. So hat der unvorsichtig redselige Herr Ruden der Vosti zu einem grandiosen Coup verholfen. Fakt ist, nach dieser Veröffentlichung war dieser Mensch in seinem Amt nicht mehr (aus)haltbar.

7:31 AM  
Anonymous Ijob said...

Es ist schon unerträglich Rudens lapidare Erklärung zu lesen!! Niemand war in der DDR gezwungen seinen Freund oder Nachbarn bei der Stasi anzuschwärzen!!! Das schlimmste dabei ist, dass Ruden sich jahrelang als Volldemokrat darstellte und nur dadurch sich in sein Amt eingeschlichen hat. Heute sehen wir wer Er wirklich ist, ein kleines mieses Würstchen das aus dem Amt gejagt werden muss!!!!!! Das er selber mal über seine Akten fällt hätte er sicher nicht erwartet, aber die Wahrheit kennt keine Zeit sie kommt ans Licht und das ist gut so!!! Eine Genugtuung für alle Opfer der Diktatur und des UNRECHTSSTAATES DDR. Seine Christdemokratischen Freunde in der CDU würden sich selber einen Gefallen tun endlich ein Zeichen zu setzen und dieses „Dreckschwein“ in die Wüste zu schicken.
Ein anerkanntes Opfer.

8:39 AM  
Anonymous njema problema said...

Herr Ruden hat sich nicht ins Amt geschlichen, sondern ist vom Landtag ins Amt gewählt worden - wie es bei jedem Beauftragten so üblich ist.

9:07 AM  
Anonymous Anonym said...

Es ist schon komisch, dass jemand, der jahrelang als Sachwalter der Stasiopfer etc. auftritt, und dann ganz dreist von der Schuld jener spricht, die verhaftet wurden. Gut, dass der Landtag da nun nach jemanden Ausschau halten kann, der nicht vorbelastet ist.

... aber vielleicht sollte man vorher auch die Stasi-Unterlagen des Kandidaten durchleuchten, damit das Muster, was Hildegunst hier erkannt haben will, durchbrochen wird.

11:44 AM  
Anonymous Ditmar said...

Wenn ich bedenke, wieviele Akten immer noch als Schnipsel in unzähligen Säcken schlummern - wer weiß, was da noch alles für Leichen versteckt sind. Die meisten werden wohl sterben, bevor sie enttarnt sind.

3:01 AM  
Anonymous Anonym said...

Wer ohne Unrecht ist, der werfe den ersten Stein - ganz schön viele Steinewerfer sind da in der Volksstimme unterwegs.

12:11 PM  
Anonymous Anonym said...

Ich fress'nen Besen, wenn das (die Veröffentlichung bzw. die Zuspielung des Materials) keine lang vorbereitete und gezielte Aktion war!
Der oder die Auslösenden (über die gern spekuliert werden darf...) wollten vielleicht gar nicht soviel "Schaden" anrichten. Nur (wenige Monate vor der Neuwahl des Stasibeauftragten) einen Warnschuß in Richtung Ruden loslassen - und Platz für einen anderen Kandidaten für diesen Posten (oder für sich selbst) schaffen. Da hätte es ausgereicht, wenn Ruden seine Wieder-Kandidatur nochmal überdenken und sich aufs Altenteil zurückziehen würde. Aber er wollte ja partout nochmal... tss, tss, tss
Und hätte er im Interview nicht (wie so oft) so tapsig-selbstüberzeugt danebengelangt, wäre er ja auch mit einem blauen Auge (dem Verzicht auf die Neukandidatur) davongekommen.

Fakt ist:
1. Ruden wurde in der Vergangenheit mehrfach auf Stasi-Zusammenarbeit überprüft. Negativ. Logisch - er war ja auch nie IM o.ä., stand auch in keiner Decknamenkartei usw. Eine einfache Zeugenaussage (unter Klarnamen) liegt da ganz am Rande der üblichen Zusammenarbeits-Überprüfung; ist auch im MfS-Registratursystem ganz anders erfaßt als Informanten- und Überwachungsvorgänge.
2. Trotzdem ist - spätestens seitdem Herr von der Heyde 1995 seine Stasiakte erhielt - die Ruden'sche Aussage zumindest Insidern (also damit befaßten Mitarbeitern der Behörde und evtl. deren Freunden/Parteifreunden) bekannt.
Seitdem liegt also bei irgendwem eine Akte "in Reserve" - für einen passenden Augenblick, der jetzt halt gekommen war.
Interessant auch, dass die VS nicht mal ansatzweise einen kleinen Wink zu ihrer Quelle gibt (was ihr - wenn eigener investigativer Journalismus zu der "Ruden-Enttarnung" geführt hätte - ausgesprochen schwer gefallen wäre). von der Heyde dürfte auch kaum den Anstoß gegeben haben - sowohl zeitlicher Verlauf als auch die spärliche Aussage, zu der ihn die VS bewegen konnte, sprechen dagegen.
Also sogenanntes "zugespieltes Material"; die VS gibt mal wieder den nützlichen Idioten für die Hintermänner und führt Ruden aufs Glatteis (was bei dessen Vertrauensseeligkeit und Selbstüberschätzung keine Kunst gewesen sein dürfte).

Obwohl ich den Rücktritt völlig o.k. und angemessen finde, ist für mich nicht Ruden der Bösewicht. Auf eine schizophrene Art ist er den alten und neuen Arschlöchern zum Opfer gefallen - die neuen (heutigen) waren die clevereren und haben sich geschickt der alten (Stasi) bedient. Ruden hat sich 1968 authentisch und wie > 95% der DDR-Bürger (in vergleichbarer Situation, in ähnlichem Alter und "Reifegrad") verhalten, hat sich (im Gegensatz zu >90% der DDR-Bürger) bis Ende der 80er weiterentwickelt und aktiv dazu beigetragen, dass der Irrsinn sein Ende fand, seine Chancen dann 2 Jahrzehnte lang gesucht und gefunden (nicht immer auf die feinste Art und Weise, Gerhard!) und zum Ende paradoxerweise in den Opferverbänden einen formalen Richter gefunden, die es auch nicht mehr schaffen, aus ihren engen und rückwärtsgewandten sehr speziellen Denk- und Argumentationszirkeln herauszufinden.
Glückwunsch! Ihr habt einen der Euren gefällt...


Coo
(Gerhard, trotzdem noch alles Gute!)

12:25 AM  
Anonymous Anonym said...

Und ich dachte immer die CDU Mitglieder haben gar keine DDR Vergangenheit, schon gar nicht eine die etwas mit der Stasi oder SED zu tun hat. Wieder was dazu gelernt.

9:21 PM  
Anonymous njema problema said...

War da einer allzu voreilig oder alles nur ein Irrtum oder gar nicht so schlimm? Rücktritt vom Rücktritt?

4:10 PM  
Anonymous Anonym said...

Ruden: "I'll be back."

7:48 PM  
Anonymous Anonym said...

Geil, Gerhard !!
Nicht, dass ich das jetzt angemessen finden würde, mit Deinem Rücktritt vom Rücktritt - ist genauso daneben wie manche Deiner früheren Äußerungen und Handlungen (nicht jede - es besteht kein Grund zum pauschalisieren).
Aber ich kann es nachvollziehen: So kurz vor den Pensionansprüchen schubsen nur ein Vollidiot (mangels Intelligenz und Chuzpe) oder Jesus selbst (aus moralischer Selbstverständlichkeit) das goldene Kalb über den Jordan.
Beides biste nicht - und zur Käsmann reicht es auch bei den Evangelen nur alle paar dutzend Jahre.

Davor sollten wir aber auch nicht die Augen verschließen: Keiner und keine von denen, die da momentan Zeter und Mordio schreien, hätte es (in der Endkonsequenz - allerdings ohne Deine lustigen Pirouetten unbd Stolperer) anders gemacht als Du ! KEINER !!
Und auch Deinem (ehemaligen) Fraktionsvorsitzenden brauchst Du die Floskel, Du hättest damit "das Amt beschädigt", nicht abzunehmen. Da gibt's nix zu beschädigen. Stasi-Beauftragter hat doch längst nichts mehr mit (differenzierter) Aufarbeitung der DDR zu tun. Amtlicher Ausläufer von Rink und Konsorten - geschenkt...

Ich hoffe, Du kommst trotz der hanebüchenen Äußerungen bezüglich Abberufung, Disziplinarverfahren und ähnlichem Kokolores noch vor Lachen in den Schlaf. Du bist Wahlbeamter - selbst wenn es irgendwer (Frau Kolb???) versuchen sollte, ein Verfahren anzustrengen: da ist Deine Wahlperiode lange zu Ende.

Hast Du eigentlich schon eine neue Partei, die Dich nun auffängt? So wie damals, als Du als (wenig ruhmbekleckerter) Umweltdezernent angesichts der vakanten Wiederwahlchancen Bündnis 90/Den Grünen entfleucht bist und als Dank der CDU erst den Job im Abwasserbetrieb und dann sogar die neue Karriere als MdL ff. erhalten hast?
Aber als gut versorgter 63-jähriger kannst Du nun vielleicht auch dem schnöden politischen Getriebe den Rücken kehren. Solltest Du auch!

Coo
(der hier nun "Adieu" für den angemessenen Gruß hält)

9:52 PM  
Anonymous njema problema said...

Beamtenrecht ist nun gar nicht mein Metier, aber Coo, wahrscheinlich stimmt deine Annahme: Es existiert mit Sicherheit ein beamtenversorgungsrechtlicher (schönes Wort) Unterschied zwischen Amtsverzicht und Dienstenthebung, wie sie das MJ nun anstrebt. Sollte Ruden tatsächlich bei seinem Schritt zurück nur auf seine Pension geschielt haben, ist das Ganze nur noch pervers. Als ob der mit 63 bei seinen gut bezahlten Jobs nicht genügend Rentenpunkte gesammelt hätte - da hätten zwei Jahre "frei" bis 65 wahrlich nicht weh getan.

7:10 AM  
Anonymous Ijob said...

Der Rücktritt vom Rücktritt, besser gesagt ein Tritt in den Arsch für all die wahren Opfer der SED – Diktatur in der DDR!!
Zu Scharf möchte man sagen, besser er tritt gleich mit zurück. Noch im Sommer 2009 sprach er gemeinsam mit Parteifreund Webel von der christlichen Gnade der Vergebung im Zusammenhang mit den Machenschaften eines CDU Landtagsabgeordneten, welcher das Land um etliche tausend Euro betrogen hat. Er vergaß dabei, dass aus dem Protokoll einer parteiinternen Sitzung aus dem Jahr 2006 eindeutig hervorging, dass ER und der Parteivorstand von den Sauereien wußten!! Das ausgerechnet derselbe Mann jetzt von parteischädigem Verhalten spricht, ist schon ein Ding aus dem Tollhaus. Wenn die CDU nicht noch die letzten Wähler verlieren will, sollte man anfangen AUFZURÄUMEN!!! Der Fisch beginnt bekanntlich am Kopf zu stinken.

5:30 PM  
Anonymous njema problema said...

"Übergeordnete Artenschutzinteressen": Was dem Perret sein "Berufsethos" ist dem Ruden sein Pensiönchen.

9:59 PM  

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