Mit Politologen die einer Partei angehören ist es ja ähnlich wie mit Ameisenwissenschaftlern die versuchen dem zu erforschenden Gemeinwesen beizutreten - es kann schon mal zwicken. Dieser Problematik entzog sich nun der Magdeburger Politikprofessor Wolfgang Renzsch. Nach 38 Jahren gab er, einem starken derzeitigen Trend folgend, sein SPD-Parteibuch ab. Interessant ist der geäußerte Beweggrund: Der Rauswurf Wolfgang Clements aus der SPD als krasser Verstoss gegen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Soso. Etwas voreilig ist das schon - so für einen abgeklärten Politprof. Das Verfahren ist ja eigentlich noch nicht abgeschlossen. Bei dem allgemeinen Zuspruch der SPD-Führung für ihr Irrlicht Clement wird der am Ende sogar noch Kanzlerkandidat. (Gut das käme schon überraschend - aber hallo, es ist die SPD!)
Da auch die Volksstimme im sogleich geführten Interview bezüglich der Plötzlichkeit nach 38 Jahren nachfragte, wurde dann auch noch etwas erläutert. Die Glaubwürdigkeit der SPD sei dahin weil ..... Ypsilanti (SPD, Spitzenkandidatin in Hessen) mit der Linkspartei rummacht und Clement mit der Warnung vor der Wahl Ypsilantis (also der Stimmabgabe für die SPD, Renzschs damaliger Partei) Recht gehabt habe. Sososo. Nun will man ja der Wissenschaft nur ungern ins Handwerk pfuschen. Es sei aber angemerkt, dass Genosse Clement die Genossin Ypsilanti damals nicht wegen der Linkspartei kritisierte (sie hatte ja bei ihren Urahnen geschworen mit diesen Belzebuben nicht zusammenzuarbeiten - was allerdings geflunkert war) sondern wegen ihrer Energiepolitik (pro regenerativer, contra fossiler/atomarer Energieträger). Clement (gut bezahltes Aufsichtsratsmitglied beim Atom- und Kohlekraftwerkbetreiber RWE) hatte Ypsilanti in einem Punkt angegriffen, in welchem sie einfach nur die Mehrheitslinie ihrer Partei, er jedoch die Mehrheitslinie seines Aufsichtsrates vertrat. (Sollte Renzsch die Glaubwürdigkeit der SPD durch Clement gefährdet sehen, wäre wohl auch das wissenschaftlich nicht völlig abwegig.)
Genau genommen hatte Clement aber natürlich nicht gegen Ypsilanti sondern gegen die hessische SPD Stellung bezogen - ist ja schließlich keine Personenwahl. Selbstverständlich steht Wolfgang Clement das Recht auf freie Meinungsäußerung zu. Gerne kann er äußern, dass man die SPD unter keinen Umständen zu wählen habe. Auch Verwünschungen, das Lesen schwarzer Messen etc. - alles zulässig. Es besteht in weiten, ja deutlich überwiegenden Teilen der Bevölkerung sogar die hartnäckige Tradition die SPD nicht zu wählen (sei es nun trotz oder wegen Clement). An die Politikwissenschaft ist aber die Frage zu richten, was der Sinn einer Parteimitgliedschaft ist, wenn man im Fall des Falles nicht einmal bereit ist die bunte Truppe zu wählen? (sondern Roland Koch. Koch!!! Hier seien nur mal die Schlagworte "jüdische Vermächtnisse" und "brutalst möglicher Aufklärer" zu Zwecken der Illustration genannt.) Um es weiter zu erläutern: Selbstverständlich steht es einem Fussballspieler im Zuge seines Rechtes auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zu, dem gegnerischen Sturm beizutreten und mit seinen Torjägerqualitäten mal überraschte Gesichter zu erzeugen. Sein gutes Recht! Möglicherweise erfährt seine Sportlerkarriere allerdings einen abrupten Abbruch. (Trainer können völlig humorfrei sein!) Dann mit dem Recht auf freie Entfaltung zu argumentieren ... naja .. Politologen machen so was vielleicht. Das Clement nicht einmal die zunächst nur ausgesprochene Rüge (DuDu) akzeptierte und sich nun als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit versteht - es fehlen einem die Worte.
Eine Parteimitgliedschaft ist dann albern, wenn jemand über die wünschenswerte Kritik an der eigenen Parteipolitik so weit hinausgeht, dass er zur Nichtwahl seiner Partei aufruft. Selbst wenn er Recht hat - es ist dann offenkundig nicht mehr seine Partei. Wenn man politisch soweit auseinander ist, dass man sich gegenseitig nicht wählen würde - man sollte dann einfach verschiedenen Parteien angehören. Sonst wird es sehr unübersichtlich.
Aber zurück zur Parteiflucht des Professors. Er fordert eine klare Linie der SPD gegenüber der Linkspartei. Diese Linie definiert er wie folgt: "Man kann partiell mit Pragmatikern vor allem in den ostdeutschen Ländern und Kommunen zusammenarbeiten." Ähm. Tja. Da ist was dran. Das umschreibt aber wohl leider ziemlich exakt die derzeitige etwas diffuse Linie der SPD. Die klare Linie: "Linkspartei stinkt" wird man wohl (aus Sicht der SPD) nicht ernsthaft vertreten können. Weder in MeckPom noch in Berlin kam es bei Rot/Rot-Koalitionen zu revolutionären Unruhen. Genau genommen stützt die Linke in Berlin sogar Thilo Sarrazin (SPD, Finanzsenator, trägt in Wohnungen gerne dicke Pullover) gegen den Clement ja nun schon als verträumter Sozialrevolutionär durchgeht. Die klare Linie: "Im Osten immer, im Westen nimmer!" ist nun aber wirklich nur im geographischen Sinne klar. Verliert ein Linksparteifunktionär seine Satisfaktionsfähigkeit, wenn er von Marienborn (Sachsen-Anhalt) nach Helmstedt (Niedersachen) verzieht? Die SPD möchte selbstverständlich aber nicht in den Verdacht geraten mit Altstalinisten, verwirrten K-Gruppen, Maoisten etc. zu paktieren. Die Linkspartei ist ... ähm ... breit aufgestellt. (Ihr Chef war beruflich langjährig Heilsbringer einer nicht genannt sein wollenden sozialdemokratischen Partei in Deutschland, der lustigerweise auch Clement angehörte.) Was soll man, z.B. als Politologe, der SPD da raten? Es bleibt nur die Prüfung im Einzelfall: Was für Leute mit welchem Programm hat man jeweils vor sich? Das genau hat der weise Bundesvorstand der SPD beschlossen. Das ist zwar nicht sonderlich eindeutig, alles andere aber ist verlogen, da nicht einhaltbar und (schlimmer noch) es glaubt ohnehin niemand.
Wenn die SPD aber genau das macht was der SPD-Professor fordert - Wieso tritt er aus? - Ach, versteh einer Professoren.
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