Dienstag, November 25, 2008

Zoo jagt Aldi

Tag für Tag hat nun der Winter neue Angriffe gegen die Stadt geführt und so nach und nach tatsächlich etwas winterliche Stimmung gezaubert. Nur in vertretbarem Maße - versteht sich! Die Stadt muss schließlich sparen. So ist das Zittern der Geschäftsleute vom Neustädter See weniger kälte- sondern mehr zoobedingt, sagen sie. Sorgen bereitet nicht so sehr eine zu befürchtende Luchsmassenflucht, sondern die erwogene Schließung der Magistrale "Am Vogelgesang". Um im internationalen Zoogeschäft mithalten zu können, beabsichtigt nämlich der Magdeburger Zoo eine Erweiterung seines Geländes. (Alleine der Flächenbedarf für das Tigerwelpenschlachthaus stellt den Zoo vor ernste Probleme!) Ins Auge gefasst hat man eine Fläche östlich des Zoos. Als nachteilig erweist sich jedoch die Tatsache, dass der Zoo nicht direkt angrenzt, sondern die Verkehrsader Am Vogelgesang eine trennende Wirkung entfaltet. Da eine Luftbrücke dem steuerzahlenden Steuerzahler (abgesehen von russischen Blockaden) nur schwer zu vermitteln ist, ergab sich die Idee, der Straße Am Vogelgesang wieder mehr Identität mit ihrem Namen zu verschaffen und sie ... nunja ... also ... zu schließen.

Amargedon! Sintflut! Musikantenstadl! Nur mit diesen Katastrophen ist die Zukunft des Stadtteils Neustädter See noch einigermaßen realistisch zu umschreiben, so die ziemlich einhellige Antwort der Bewohner. Nun ist - Hand aufs Herz - die Straße Am Vogelgesang wirklich nur als Schleichweg von Bedeutung. Gebe es sie nicht - keiner käme auf den Gedanken sie zu bauen. Dass die Leute vor Ort ihre liebgewordene Schleichtrasse erhalten wollen - wer wollte es ihnen verdenken. Das Heulen und Zähneklappern der örtlichen Wirtschaft wirkt aber doch etwas aufgesetzt. Wie es der Zufall will war wegen Bauarbeiten die Straße jüngst für fünf Wochen gesperrt (wie jede zweite andere Straße in Magdeburg auch). Die bekundeten Erfahrungswerte der Geschäftsleute: "verheerend", "extreme Einbußen". Da sollte man sich ja vielleicht doch erst einmal die Umsatzzahlen zeigen lassen. Dass die auf die Versorgung der Bewohner des Plattenbaustadtteils ausgerichteten Gewerbe (Aldi) und die von der Nähe des Sees Profitierenden (Bayrischer Krug) ernsthaft nennenswert auf den Schleichweg angewiesen sein sollen, der auch nicht ernsthaft zu Durchgangsverkehr und somit Laufkundschaft führt, mag man nicht wirklich glauben. Angesichts der sehr starken Worte drängt sich so ein wenig der Verdacht auf, dass hier mit dem Totschlagsargument Wirtschaft eine als missliebig empfundene Planung in den großen Rundordner befördert werden soll. Das wäre nicht sooo nett.

Schon peinlich wirken die Hinweise, Aldi habe mitgeteilt, dass es nach Aufgabe der in ihrerer Bedeutung kaum zu unterschätzenden Straße, den Standort nicht mehr für wirtschaftlich hält. Bei einigen 1000 Wohnungen in Sichtweite! Die rührende Standortsorge wäre sinnvoller gewesen, als die Stadtväter (und vereinzelte Stadtmütter) das Band zum 100. oder doch zumindest zum 150. Discounter in der Stadt stolz durchtrennten. (Wenn mehr Discounter als Einwohner vorhanden sind, ist die Marktsättigung nicht mehr weit.) Dass ein seine Besucherzahlen haltender oder ausbauender Zoo für Einzelhandel und Gaststätten auch nicht das Schlimmste wäre sei angemerkt.

Nun ja. Schmankerl am Rande war die Geschlossenheit der Verwaltung. Der Aldi-Vermieter teilte in einer örtlichen Bürgerversammlung dem Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) mit, dass ihm die Stadtverwaltung gerade schriftlich mitgeteilt habe, die Schließung der Straße sei beschlossene Sache. Trümper (Chef der Stadtverwaltung), der gerade die Entscheidung als noch offen bezeichnet hatte, teilte mit: "Das ist die Meinung der Verwaltung, dort wird aber nicht die Entscheidung getroffen." Ähm... Also ist er, als Teil der Verwaltung, doch der Meinung: Schließung ist fein? Beißt sich das nicht ein wenig mit der Aussage zur Offenheit der Entscheidung? Was bedeutet die Aussage, die Meinung der Verwaltung ist nicht identisch mit der (von der Verwaltung vorbereiteten (Zwinker, Zwinker) Entscheidung? Wann war denn eine solche fehlende Identität das letzte Mal der Fall?

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5 Comments:

Anonymous Anonym said...

da ich auch bei besagter Bürgerversammlung war (ich bin Bürger dieses Stadtteils) finde ich, ob der Zoo nun breiter, höher oder tiefer wird, ist mir so ziemlich egal, aber wenn die Straße (sei sie auch nur mit 30 km/h befahrbar)nicht mehr da ist, muß ich jeden Tag einen Umweg von fast 4 Kilometern fahren. Daß kostet nicht nur mein Geld, sondern ist auch nicht gut für die Umwelt. Auch das Argument mit Rettungsdienst und Feuerwehr ist nicht vom Tisch zu weisen. Sicher würde weniger Verkehr in der Allendestraße auch weniger Belastung für die Anwohner bedeuten, aber das ist gerade noch auszuhalten, wird eigentlich vom "Bayrischen Krug" vom "Seeblick" und vor allem von "Cable Island" locker übertönt. Übringens war die Rechnung der Verantwortlichen mit 2800 Fahrzeugen pro Tag sehr gering angesetzt, find ich und dann auch noch 800 für den Verkehr des Zoo abzuziehen war schon abenteuerlich. Vieleich zähle ich je mal die Autos vom Fenster aus, wenn ich ´nen ganzen Tag Zeit hebe, aber im Sommer, wenn das Wetter schön ist.
Sollte auch Hildegunst bei dieser Versammlung gewesen sei? Die Zahl der Teilnehmer war ja ziemlich überschaubar.

5:44 PM  
Anonymous Anonym said...

ja, genau - selber zählen ist der Weg der Gerechten. Denn andernorts hat man dadurch schon das Verwaltungshandeln korrigiert. Die Arbeit kann man sich ja mit anderen teilen. Wenn die Ergebnisse abweichen, wird die Verwaltung eine erneute "offizielle" Zählung veranlassen.

9:50 PM  
Anonymous Anonym said...

Es ist schon blöd, wenn Anwohner am ZOO künftig längere Wege haben sollten. Andererseits gibt es immer wieder Klagen, dass der Durchgangsverkehr zu schnell, zu laut und überhaupt zu viel ist - zumindest für einige der Anwohner.

Kurz gesagt: Eine Lösung, die es allen recht macht, ist meistens nicht zu finden (oder nicht zu bezahlen).

Gewinnt durch die aktuellen Pläne jedoch der ZOO an Attraktivität - was sich vermutlich in steigenden Besucherzahlen und höherer Zufriedenheit selbiger zeigen könnte/sollte/müßte, so wäre das ja für die Anwohner UND "den Rest" der Bürgerschaft gut. Dabei würden zudem die Einnahmen des ZOOs steigen. Was für das Stadtsäckl auch nicht ganz schlecht wäre.

10:22 AM  
Anonymous Anonym said...

Oberbürgermeister Lutze Trümper = Chef der Verwaltung?
JA, sicher!

Aber das heißt doch nicht, dass "der Kapitän" auch Teil der Schiffsbesatzung ist.
NEIN, das sei ferne!

Ich glaub, das "berauschende" Wahlergebnis vom Frühjahr hat dem Stadtoberhaupt ein wenig die Sicht vernebelt. Anders kann man seine Kommentare und manch überzogene Verlautbarung der letzten Monate wirklich nicht mehr erklären.

Hat überhaupt schon jemand nachgeschaut, ob bei der jüngsten Beigeordnetenwahlrunde der Kandidat des OB im Baudezernat vielleicht mit Stimmen der zuvor so verteufelten Linken gewählt wurde? ;-)

Ich halte es jedenfalls für nicht undenkbar, dass der "Freidemokrat ehrenhalber" (Brüning) auch mit einigen SPD-Stimmen ins Amt gehievt wurde - als anonyme Abmahnung für die eigene Pflegeskandal-Sozialbeigeordnete.

Zumindest wird einem Ähnliches gelegentlich auf den finsteren Rathausfluren zugeflüstert. Da haben sich wohl einige SPD-Genossen (und auch CDUler) "verzockt", weil alle von einem notwendigen zweiten Wahlgang ausgingen. Da wäre man "selbstverständlich" wieder auf Linie der Fraktionsführung eingeschwenkt...

10:33 AM  
Anonymous Anonym said...

die linken haben wohl komplett scheidemann gewählt - cdu-frau lohse hat nur ein paar stimmen mehr bekommen als die eigene fraktion stimmen im rat hat - das peinliche ratsergebnis von herrn balzer dürfte genau die zahl seiner persönlichen freunde in der spd-ratsfraktion sein - ob er noch einmal für den stadtrat aufgestellt wird?

11:25 AM  

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