Freitag, Juni 26, 2009

Wählernecken

Eine gewisse Tendenz zum Wählernecken, auch jenseits der STf!-Fraktionsbildung, ist in der Magdeburger Kommunalpolitik derzeit durchaus festzustellen. Die Gewählten nehmen gleich reihenweise die Wahl nicht an. Nun ist es nicht so ungewöhnlich, dass Kandidaten sich mehr als Zählkandidaten begreifen. Dann muss man aber auch mit dem "Risiko" einer Wahl leben. Man kann doch nicht vollmundig um das Vertrauen des Wahlvolks werben und ihm dann das Gesäß, Mittelfinger oder Zunge zeigen! Oh doch. Man kann.

Da wäre Karl-Heinz Paqué (FDP). Eigentlich zwar nur auf Platz 2 der FDP in Reform gesetzt - konnten sich aber doch diverse Wähler damit anfreunden, dass ihr Stadtteil zukünftig vom Ex-Minister repräsentiert wird. Paqué in der Volksstimme vom 22. Mai auf die Frage nach seinem Ziel: "Wirtschaft und Wissenschaft in der Landeshauptstadt stärken." Zwinker, zwinker. Nach seiner Wahl verzichtete er eilig. Noch krasser: Ulrich Koehler (FDP). Er hatte in Reform den FDP-Spitzenplatz inne und wurde eifrig plakatiert und beworben. Sein Ziel: "Stärkung der Wirtschaftskraft Magdeburgs und größere politische Handlungs- und Gestaltungsspielräume durch finanzielle Konsolidierung.". War dann doch eher Parteilyrik. Ulrich Koehler war zwar von Paqué überrundet worden, hätte jedoch nach dessen Verzicht nachrücken können - wollte aber nicht. Stark vor Ort - soso. Der drittplatzierte Helmut Hörold erbarmte sich dann.

Verrückter ging es bei future zu. Andreas Radespiel, auf Platz 2 in der Altstadt kandidierend, zog an Melanie Ockert vorbei. "Soziale Infrastruktur und die Kulturlandschaft mehr ausbauen, um Investoren attraktive Softfacts zu bieten, die für die Beurteilung von Standortplätzen wichtig sind." Ähm. Hüstel. Na müssen die Wähler so was gleich so bierernst nehmen? Er lehnte ab. Spitzenkandidatin Melanie Ockert wollte dann aber auch nicht. (Vergessen die Zeit, als es noch hieß: "...junge Frauen unterstützen, um Perspektiven zu bieten und sie auch nach Studium, Schule und Ausbildung in der Stadt zu halten.") Da ruhten nun die Hoffnungen der altstädtischen Future-Wähler auf dem Dritten, Michael Schmidt. Ach was sollte da nicht alles angepackt werden: "Schaffung freier Kitas, subventioniertes Schulessen, zukunftsorientierte Sanierung der Gruson Gewächshäuser." Aber auch Michael Schmidt zeigte sich hartherzig und lehnte ab. Damit war die Liste von future! in der Altstadt erschöpft. Keiner (!) von der Liste wollte ernsthaft in den Rat. Nicht einer. Niemand. Soso. Der Wahlbereich 3 (Olvenstedt) half dann mit Mirko Stage aus, womit der familiäre Charakter dieser Partei hinreichend nachgewiesen sein dürfte.

Auch die NPD - angetreten dem doitschen Volkswillen Geltung zu verschaffen - war mit dem Wählervotum unzufrieden. Nicht nur die klägliche Zahl der Wähler, sondern auch deren Humor ausgerechnet Michael Grunzel für die NPD in den Rat zu schicken, wurde im Führungsbunker nicht so sehr begrüßt. Während Grunzel eigentlich vor hatte: "Den Scheindemokraten die Grundlagen ihres politischen und gesellschaftlichen Handelns zu entziehen." wurde nun zunächst ihm die Grundlage entzogen. Als Nachrücker zieht Matthias Gärtner ein. Er verzichtete leider nicht. Schade! 11 NPD-Verzichtserklärungen hätten den Stadtrat deutlich aufgewertet.

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Montag, Juni 08, 2009

Es ist angerichtet

Alle Achtung. Ohne auch nur ein kommunales Wahlplakat gehängt zu haben, erreicht die Linkspartei bei den Magdeburger Stadtratswahlen 23,4 %. Applaus, Applaus. Gut, das sind nun 6,4 % weniger als letztes Mal (und nur noch Platz 2). Laut Volksstimme freut sich Eva von Angern (Linkspartei) trotzdem darüber, "dass wir so weit vorn liegen." Eine Freude die sich im Laufe des Wahlabends wohl noch gelegt haben wird. Zweiter Verlierer des Abends: Die CDU mit 23,1 % (-2,0 %) nun nur noch Dritter. Von der Zahl der Stadtratsmandate gleichauf mit der Linkspartei mit jeweils 13 Sitzen.

Dass man sich auch über Kleinigkeiten freuen kann, beweist die SPD. Nach dem die beiden anderen größeren Parteien links und rechts an ihr vorbei fielen, ist man (bei einem eigenen Zuwachs von homöopathischen 0,8 %) nun stärkste Kraft (14 Sitze). Ein Falko Grube (SPD) wird von der Volksstimme als im Freudentaumel befindlich beschrieben. Wie wird da wohl - also jetzt mal rein hypothetisch - ein Wahlsieg gefeiert.

Mit 3,3 %-Punkten Zuwachs können die Magdeburger Grünen hingegen tatsächlich einen Wahlsieg feiern. Zweistellig mit 10,2 %, vierter Platz, deutlich vor der FDP (8,5 %, + 1,4 %), könnten sie unter Umständen, wenn sich in den unentschiedenen Parteien Verbündete finden würden, auch liebgewordene Wahnsinns-Projekte wie den Tunnel des Grauens beerdigen. Man wird sehen. Future, die Partei der rüstigen Senioren, ist die Gruppierung die ihr eigenes Wahlziel am stärksten verfehlte. Eigentlich wollte man ausmisten ... ähm ..mal richtig feucht durchwischen und auch viertstärkste Kraft werden. Das würde aktuell 10,3 % erforden. Mit 3,8 % auf Platz 6 liegt man da nicht wirklich in der Nähe. Die bisherigen familiären Bande dürften an Bedeutung verlieren. Keinem der Geschwister oder Verschwippschwagerten gelang der Einzug. Oliver Wendenkampf (früher Grüne, später Spasspartei) (48) und Andreas Radespiel (feiert demnächst den 40.) bilden jetzt die jugendliche Vorhut des Stadtrates. Um eine Fraktion zu bilden und sich den Genüssen einer Fraktionsgeschäftsstelle hinzugeben, bräuchten sie aber noch Zuwachs. Neben future haben noch drei weitere Kleinstgruppierungen mit jeweils nur einem Mandat Berücksichtigung gefunden. Da wäre die Tierschutzpartei (2,5 %), der Bund für Magdeburg (Können wir nicht glücklich sein? Nein! 2,2 %) und natürlich die Braunalgen von der NPD (2,0 %). Dass letztere Letzte geworden sind, ist schon unter Stadtmarketinggesichtspunkten sehr erfreulich. (Üblerweise soll es das Gerücht gegeben haben, dass ihre Wähler vier Kreuze machen durften, was leider zur Ungültigkeit des Stimmzettels führen würde. Tss, tss, tss.) Auch scheinen die Magdeburger NPD-Wähler das mit dem Führerprinzip nicht verstanden zu haben. Statt den "Spitzenkandidaten" Matthias Gärtner in Olvenstedt mit den meisten Stimmen zu beschenken, wurde ausgerechnet Michael Grunzel (hatte ich den Namenswitz schon mal gemacht?) aus Neue Neustadt gewählt. Er wollte den Scheindemokraten die Grundlage ihres Handelns entziehen. Zunächst muss nun aber die Stadtverwaltung eine stabile Bestuhlung als Grundlage für den recht omnipräsenten Körper des Scheindemokratenentlarvers heranziehen.

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Donnerstag, April 16, 2009

Hat eine Gewaltherrschaft nicht auch Nachteile?

Wenn man der Volksstimme Glauben schenken kann (und wem sollte man sonst Glauben - ist ja keiner da) streben 370 Menschen die Position eines Stadtrates an. Das sind immerhin etwa 0,16 % des Gesamtbevölkerung. Unter diesen Wert wird die Wahlbeteiligung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht sinken, selbst wenn die praktisch völlige Abwesenheit öffentlicher inhaltlicher Diskussionen sich so fortsetzt.

Unter den glorreichen 370 befinden sich leider auch 11 Halb- bzw. Nachtschattengewächse, die uns - ob wir nun wollen oder nicht - von der Tyrannei des "Systems" befreien wollen. Soweit man aus den abgesonderten Worthülsen der NPD entnehmen kann, wird nach der Beendigung des derzeitigen Systems (das "Kentern" des "Schiffs" der "Scheindemokraten" wird von den Nichtdemokraten für 2014 vorausgesagt) allerdings nicht so sehr das Prinzip der freien Liebe und Gütigkeit vorherrschen. Der NPD schwebt mehr so eine echte Demokratie vor, wobei ihr jedoch andere Parteien als die NPD verzichtbar erscheinen (alle anderen, wirklich alle, sind nämlich Scheindemokraten - sagt die NPD). Auf die selbst gestellte Frage, was man am derzeitigen System vor Ort verbessern kann, antwortet ein Michael Grunzel (den Namenswitz lasse ich jetzt mal ungemacht): "Eigentlich nichts. Es gehört beerdigt." (Liebes Bundesverfassungsgericht! Das mit dem Beerdigen meinen die erfahrungsgemäß nicht metaphorisch. Nicht dass, wenn alle wieder vor pittoresken Trümmerlandschaften knietief durch Blut waten, einer kommt und fragt, wie das geschehen konnte!)

Die beabsichtigte Errichtung einer Gewalt- und Schreckensherrschaft kann man doch schon noch irgendwie feinfühliger verpacken. Überhaupt bereichert die NPD einen an sich ja eher harmlosen Kommunalwahlkampf mit Vokabeln, die seit etwa 70 Jahren nicht mehr im Gebrauch waren. Da ist von "rote(n) Mordbestien" und "Mordbuben" zu lesen (eine konkurrierende, wohl eher linksgerichtete Gewaltherrschaft hatte in Stadtfeld Ost NPDler mit Tränengas und Steinen angegriffen). Obwohl es sich um rote "Mordbuben" gehandelt haben soll, wittert die NPD ausgerechnet die Grünen als Verantwortliche, was dann ja eigentlich als grüne Mordmädels und -buben (immer schön gendern!) Eingang in die NPD-Parteipresse hätte finden müssen.

Das Schöne an der NPD ist ja - man muss sie nicht wählen. Also noch nicht. 2014 kann das schon ganz anders sein.

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