Mittwoch, März 31, 2010

Akte fällt Aktenbeauftragten an

Also das kann auch nur Sachsen-Anhalt. Der Stasibeauftragte stürzt über eigene Stasiverstrickungen. Das ist wirklich schwer zu toppen. (Naja, unser Zoodirektor ist wegen Tierquälerei angeklagt, unsere Spielbanken schrieben rote Zahlen - vielleicht ist da doch ein Muster zu erkennen.) Dann diese - eher landesuntypische - Geschwindigkeit des Geschehens! Wenn man beispielsweise erst zum frühen Nachmittag sich gemütlich hinfläzte, um ein wenig die lokale Weltpresse zu studieren und dabei im Hintergrund das Radio lief, konnte sich so etwas wie eine Störung des regionalen Raum-Zeit-Kontinuums ergeben. In der Zeitung ein absonderlichste Dinge äußernder Stasiunterlagen-Beauftragter Gerhard Ruden (CDU), der über eine zweite Amtszeit nachdenkt, im Radio seine Rücktrittserklärung.

Wenn man als Stasibeauftragter gerade einräumen muss, dass jemand zu längerer Stasihaft verurteilt wurde, weil man selbst der Staatssicherheit unschöne Details über dessen Reiseabsichten in das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet offenbarte, spricht es für eine gewisse Verkennung der Realität, eine zweite Amtszeit anzustreben. Dann die Opfer von Stasi-Verhaftung damit zu konfrontieren, dass sie nach Meinung des Beauftragten ja schließlich selbst an ihrer Verhaftung Schuld sein, ist für die Hauptzielgruppe nur ganz, ganz schwer verdaulich und verkennt ein klein wenig den durchaus auch unerfreulichen Charakter diktatorischer Unrechtssysteme.

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Sonntag, März 28, 2010

Gestadtratet

Vegi-Tag contra Schnitzi-Tag (wo ist eigentlich die Gesellschaft für Deutsche Sprache, wenn man sie mal braucht). Im Verhältnis zu diesem Kampfgeschehen verliert der Nahostkonflikt doch erheblich an Brisanz. Wer sich angesichts der Konstellation Getreidebratling gegen Rinderhack einen ganz großen Stadtratstag erhoffte wurde nicht enttäuscht.

Ausgangspunkt war ein Antrag von Grünen und SPD/future/Tierschutz dazu aufzurufen, Donnerstags auf Fleisch zu verzichten und vegetarische Angebote zu schaffen.

Vor dem Hintergrund unseres vermehrt fettleibigen Nachwuchses, scheint die Idee, die ein oder andere Kuh weniger zu verdrücken, auch nicht völlig abwegig. Auch im Stadtrat sind Teile der Bestuhlung doch bis an die Grenze des technischen Versagens ausgelastet. (Wobei die Tierschutzfront mehr darauf abstellt, dass unsere putzigen Mitgeschöpfe in Fritteusen nicht artgerecht gehalten würden.)

Lothar Tietge (Tierschutzpartei) betonte die Bedeutung der Angelegenheit in völlig angemessener Form. Der 25. März 2010, 19.30 Uhr ginge als epochemachende Verabschiedung eines phänomenalen Aufrufs neben Kaiser Otto dem Großen und Otto von Guericke in die Geschichtsbücher ein. Sagt er. Wer würde noch über die Mondlandung reden? Das Aussterben der Dinosaurier, das Tunguska-Ereignis? Dr. Guido Westerwelles Freundeskreis? Was ist all das neben einem absolut entschiedenen Aufruf des Stadtrats?

Wer hätte aber je gedacht, dass die Ernährungsgewohnheiten von Kühen einmal den Magdeburger Stadtrat beschäftigen würden? Vor dem Satz: "Kühe müssen besser ernährt werden, dann produzieren sie auch weniger Methangas." mit dem Stadträtin Carola Schumann (FDP) die ernährungspolitische Richtung der FDP dartat (Contra Vegi/Pro Schnitzi) kann man nur in Ehrfurcht das Haupt neigen. Der steht wie gemeißelt und wird uns alle überdauern. Da der entsprechende Gasausstoß durch unsere rindslederbezogen vierbeinigen Freunde tatsächlich ein Umweltproblem zu sein scheint, darf man sich demnächst sicherlich auch über einen liberalen Antrag bezüglich der bläharmen Futtermittelzusammensetzung freuen.

Um einen im Aufruf scheinbar tückisch verborgenen "Zwangs-Vegi" zu vermeiden, forderte die FDP den "Tag der bewussten Ernährung" - was die Tierschutzfront nur wenig aufmunterte, schließlich könnte man sich selbst Flipper und Lessi sehr bewusst auf der Zunge zergehen lassen.

Die CDU nahm es mit Humor und thematisierte einen "sexfreien Tag". Ja. Essen ist der Sex des Alters. Wenn unsere Ratssenioren da nicht zufällig gerade gemüsophil veranlagt sind, würde Donnerstags ein recht trüber und freudloser Tag.

Am Ende kam was kommen musste. CDU, Linke und FDP lehnten ab. Die Einbringer schäumten. Sören Herbst (Grüne) gab via Twitter den Wellemeyer und sah "kleingeistige Provinzstadträte" am Werk. Herbst und Stadtrat Andreas Budde (SPD) konnten sich online kurzfristig auf eine verhältnismäßig negative Einschätzung des Redebeitrags von Carola Schumann verständigen. Diese Twittermeldungen wurde von Hans-Jörg Schuster (FDP) umgehend sozusagen gestadtratet, so dass bei Twitter dann zu lesen war, was der Stadtrat so über Twitter diskutiert.

Tja. Magdeburg zwar nicht als Stadt des neuen Essens - aber immerhin wird mal über neue Medien debattiert.

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Samstag, März 27, 2010

Tücke des Ehrenamts

Wußten Sie schon, dass 98,53 % der Bevölkerung sich für einen Teilzeit-Ministerpräsidenten erwärmen könnten? 99,47 % würden sogar Teilzeit-Journalismus begrüßen! Trotzdem trieben die beiden Bevölkerungsgruppen - also Ministerpräsidenten und Journalisten - eine Sau beachtlicher Größe durchs Dorf. Das Teilzeitparlament. Also als Idealbild: der Zeitzer Fleischergeselle, der nach hartem Tagwerk nochmal schnell nach Magdeburg eilt, dort die Regierung und ihre Heerscharen von Mitarbeitern kontrolliert, die Richtung angibt, nach einem Schnittchenempfang der Hohenmölsener Goldschmiede-Innung dann noch einen Milliarden Landeshaushalt prüft, korrigiert und verabschiedet und sich zum Tagesabschluss von einigen alkoholisierten Nichtwählern bei Penny anpöbeln läßt.

In Ordnung. Der Alltag diverser Landtagsabgeordneter dürfte tatsächlich von einer stärker ausgeprägten Geruhsamkeit geprägt sein. Wenn man aber die Funktion eines Landtages in einem Flächenstaat ernst meint, wird man nicht umhin können den Fleischergesellen mal für fünf Jahre vom Wurtstschneiden freizustellen, um ihm ein Minimum an ernsthafter politischer Arbeit zu ermöglichen, sonst sackt ihn die hauptamtliche Verwaltung endgültig ein.(Wem das jetzt zu viel Fleisch und Wurst war: Vegi-Tag ist ja nun nicht.)

Dass Wolfgang Böhmer jegliche Denksperren abwirft - auch recht gut begründete - kann leicht auf seinen jugendlichen Übermut zurück geführt werden. Bedenklich sind allerdings sogleich herbei springende Politikwissenschaftler. Da wäre Prof. Wolfgang Renzsch zu nennen, der die Teilzeit-These famous findet (und auch gleich noch eine Direktwahl des Ministerpräsidenten vorschlägt. Auja - Typen wie Marseille endlich eine Chance!) Besonders schwierig: die journalistische Zunft, gerade auch die Volksstimme, die unreflektiert in den Freudentaumel einstimmt. Kaum zu vernehmen (und als garstige Diätenritter abqualifiziert) die Stimmchen der Politkaste, die auf die doch nötige demokratische Kontrolle hinweist. Im Ehrenamt ist ernsthafte Kontrollen nur schwer zu machen.

Wie schwer es Ehrenamtlichen fallen kann, auch kleinere Kähne auf Kurs zu halten, zeigt gerade das ärgerliche Beispiel der beim Verein "Deutsch-Amerikanisches Dialogzentrum" von einem Mitarbeiter entwendeten Gelder. Kein Milliardenhaushalt. Nur bummelige 24.000 €. Trotzdem Existenzkrise. Ich wage gar nicht zu sagen, welcher Politikwissenschaftler hier scheinbar nur mäßig kontrollierend im Vorstand saß, als im Laufe der Zeit ein Mitarbeiter ein ganzes Jahresbudget wegschleppte.

Nein, nein. Um mal mit Lenin und der MLPD zu sprechen: Vetrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Teilzeitabgeordnete scheinen mir in Flächenstaaten keine so gute Idee.

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Dienstag, März 09, 2010

Vox sudenburgensis

Oh nein. Das ist nun wirklich zu viel. Es muss doch irgendeine natürliche Grenze geben! Sollte es tatsächlich möglich sein in der Rubrik "Peinlichste Presseerklärung" völlig neue, nie dagewesene Dimensionen zu erreichen? Es scheint so.

Dem durchaus leidgeprüften Konsumenten Magdeburger Lokalberichterstattung liefen am Sonnabend in dichter Folge Ganzkörpergänsehautschauer über die Epidermis.

Wer ist der größte aller Sudenburger Kommunalpolitiker? Wer der Schönste? Genialste? Wer macht Blinde gehen? Wer trägt Sorge dafür, dass Sudenburg bisher noch jede Erdumdrehung mitgemacht hat? Na? Die Frage ist verhältnismäßig schwierig. Allerdings hat Michael Hoffmann (CDU) da eine Theorie: Er selbst!

Es hatte alles ganz harmlos begonnen. Oliver Müller (Linke) hatte den barrierefreien Ausbau des Sudenburger Kulturzentrums Feuerwache gefordert. Kostenpunkt: 150.000 €. Nicht eben ein Schnäppchen. Michael Hoffmann ergriff die vermeintliche Gunst der Stunde und semmelte dem örtlichen Widersacher mal so richtig Einen vor´s Brett. "Unseriöses Wunschdenken" und "Populismus". Sachliche Diskussion ist ja mehr was für Anfänger. Ärgerlicherweise gab sich auch der Stadtrat mehrheitlich dem unseriösen Wunschdenken hin und beschloss die Maßnahme einfach. Fatale Fehleinschätzung Hoffmanns. Nun wäre es natürlich unschicklich den Ratskollegen Hoffmann so ratlos in der Landschaft stehen zu lassen. Stadtrat Müller gab daher zu bedenken, dass ursächlich für die etwas alberne Positionierung Hoffmanns sein könnte, dass Michael Hoffmann kein Interesse an Sudenburger Alltagsthemen habe und nie bei der Sitzung der örtlichen Arbeitsgemeinschaft Gemeinwesenarbeit (GWA) auftauche. Ohoh. Einem Kommunalpolitiker zu attestieren, er interessiere sich nicht für Kommunalpolitik, ist in etwa so gefährlich, wie in einem Löwenkäfig sich über eine vermutete Appetitlosigkeit des Königs der Savanne zu belustigen.

Hoffmann musste nun zurückschlagen. Meinte er. Offensichtlich ist er wirklich nie bei der GWA, die Fragen wie Umbaumaßnahmen durchaus schon mal bespricht. Also bot es sich an, dieses Gremium, in dem diverse aktive Menschen und die Stadtverwaltung mitarbeiten, in der Öffentlichkeit als zwar nicht ganz terroristische aber zumindest doch irgendwie unnütze Vereinigung darzustellen. Da Hoffmann wohl mal bei der IG Sudenburg vorbei schaute, gilt es andererseits dieses Gremium praktisch in einem Atemzug mit dem UN-Sicherheitsrat und dem Nobelpreiskommitee zu nennen. Die IG Sudenburg sei "Stimme aller Sudenburger". Völker der Welt! Schaut auf diese IG! Sie brachte das Licht, wenn schon nicht auf die Erde, dann doch zumindest nach Sudenburg! ER habe diese Stimme vor Äonen mitbegründet! Jawohl! Die GWA sei (vermutlich ähnlich dem Stadtrat) ein "Gesprächskreis". ER lade Herrn Müller ein, sich in die IG Sudenburg einzubringen.

An dieser Stelle brach die Übertragung leider ab. Unter Unterhaltungsgesichtspunkten kann man nur auf eine Fortsetzung des "skurrilen Schlagabtauschs" (Volksstimme) hoffen.

Das jemand, den das Leben beim Vergaloppieren nun mal böse gefilmt hat, es als angemessen betrachtet das eigene Renommee auf Kosten einer unschuldigen örtlichen Arbeitsgruppe aufzubessern ... tststs. Dann auch noch den örtlichen Bürgerverein zu instrumentalisieren und gegen die GWA in Stellung zu bringen .... also .... nein. Armes Sudenburg.

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