Samstag, Juni 06, 2009

Ringelnatter Superstar

Es ist geschafft. Der Wahlkampf ist vorbei. Die letzte Ausgabe der Volksstimme ging noch mal so richtig aus sich heraus. Auf Seite 1 des Lokalanzeigers wird die Kommunalwahl knallhart erwähnt! Gut, der Beitrag über die Ringelnatter (!) die am Pfingstsonntag (diesen Jahres) in Diesdorf unsanft aufgeschreckt worden war, ging natürlich vor - ist ja klar.

Vielleicht mal ein Resümee des Wahlkampfes? Nochmal eine Info zum Wahlsystem? Ein paar Promis im Kurzstatement wieso so´ne merkwürdige Kommunalwahl von Bedeutung ist? Infos zu Wahlpartys etc.? Nein. Statt dessen alles Wissenswerte über eine Ringelnatter! (Wurde in einer Grünanlage wieder ausgesetzt. Soso.) Nichts für ungut, wenn eine Lokalzeitung ihre Lokalberichterstattung einstellt, fallen allerdings auch einige nicht unerhebliche Kaufargumente weg. Für den Fortsetzungsroman könnte man sich ja auch das Buch kaufen.

Da die Presse im Streik ist, hier mal noch so ein paar Infos. Die NPD hat in einem aufrüttelnden Schlussplakat an die bronzebraunen dreißiger Jahre angeknüpft. Mit einem krassen "Wehrt Euch" ("Kauft nicht beim Juden"-hat man in der aktuellen Plakatversion noch weggelassen) und in schwarzen Handschuhen steckenden Fäusten wird an die nationalrevolutionäre Kräfte appelliert. Das irrlichternde Hin und Her der Magdeburger NPD in ihrem Wahlkrieg bleibt somit weiter bestehen. Einerseits werden die Normalbürger mit Forderungen nach Transparenz etc. umschmeichelt, um dann im nächsten Moment ihnen mit der schwarzen Faust zu drohen und finstere Vokabeln ("rote Mordbestien") an den Kopf zu werfen. Man, man, man ... und die NPD-Wähler haben auch noch jeweils vier Stimmen. (Wer drei Kreuze bei der NPD gemacht hat, darf auch noch eine demokratische Partei mit einem Kreuz bedenken. Blödsinnige Regelung!)

Es gab auch einen kommunalen Internetwahlkampf, der der Wahlberichterstattung der Presseorgane praktisch gänzlich entging, obwohl dort entschieden mehr Informationen als in der papiergebundenen Presse zu erhaschen sind. Natürlich hat jede Partei eine eigene Homepage. Gehört inzwischen zur Pflicht! Eine gute Übersicht über die Online-Angebote und in Ansätzen auch über die Kandidaturen gibt es im Magdewiki. Erwähnenswert sind die diversen Blogs der FDP und der Twitter-Dienst der Grünen, der auch live von den Stadtratssitzungen berichtete. Auch Linke und FDP, sowie Kandidaten von SPD, CDU und Grünen nutzten Twitter (Ausgerechnet future!, die Partei für die reifere Jugend, fehlt allerdings bei solchen Anwendungen im moderneren Web 2.0).

Wer am Wahltag aktuelle Infos will, sollte - soweit ihm vergönnt - den Offenen Kanal einschalten und den Online-Angeboten der Stadtverwaltung folgen. Wer Elend und Jubilieren hautnah haben möchte, kann in´s Rathaus gehen. Da zunächst nur die Europawahl ausgezählt wird und die Kommunalwahl sich komplizierter zählt, sind vernünftige (Zwischen)ergebnisse vermutlich erst ab 21.00 Uhr zu erwarten.

So. Los jetzt. Zur Wahl gehen. Aber Zackig!

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Dienstag, Juni 02, 2009

Tiefenprüfung

Der Begriff des Ausmistens ist integraler Bestandteil des seit der Zeit der Vorväter praktizierten Brauchs des Frühlingsputzes - lies future die überraschte Wählerschaft per Volksstimme wissen. Als man bei future die wundervollen - jedoch etwas in die Kritik geratenen - "Ausmisten-Plakate" entwarf, schwelgte man engelsgleich in poetischen Höhen. Man dachte nicht daran schnöde andere Stadträte auf den Misthaufen der Geschichte zu befördern - nein. Es ging um ... ähm ... Frühjahrsputz! Frühjahrsputz und Ausmisten, dass ist doch quasi ein und dasselbe. Gut - kommt vielleicht auch auf die betroffene Wohnungseinrichtung an. Der Ansatz wäre noch glaubwürdiger, wenn man ihn vorab schon einmal gebracht hätte.

Schon in der ersten Berichterstattung hatte die Volksstimme den Ausmisten-Slogan als provokant bezeichnet. Frühjahrsputz dient nur sehr selten als Provokation. Die gleichfalls erzürnte FDP wurde am 17. März noch recht rüde damit beschieden, dass die schleswig-holsteinische FDP so etwas auch schon mal gemacht habe. (Den komplett ohne die Vokabel Frühjahrsputz auskommenden Beitrag von Oliver Schilling gibt es hier) Soso. Schleswig-Holstein. Da war jetzt im Volksstimme-Beitrag gar nicht die Rede von.

Unterdessen ergießt sich über die Leser der Volksstimme eine Flut von kurzen Prosastücken der einzelnen Parteien. In SMS-Kürze sondern die Parteien (die NPD darf erfreulicherweise nicht mitmachen) positives zu 12 Themen ab. Da die Parteien nicht aufeinander reagieren können, aber auch Gewichtungen und reine Programm-Lyrik unklar bleiben, ein sehr zweifelhaftes Lesevergnügen. So sind eigentlich alle Parteien (bis auf Burkhard Lischka (SPD) - er spricht da aber nur für sich selbst) für eine Öffnung der Schuleinzugsbereiche - die ja aber in der Praxis seit Jahren trotzdem nicht erfolgt. Der Volksstimmeleser könnte angesichts der offensichtlichen Allmacht Lischkas etwas in Erstaunen geraten - tatsächlich ist der Stadtrat aber bloß nicht in der Lage gegen den Willen des Landes die Schulgrenzen einzureißen. Die Volksstimme lässt das Phänomen unerläutert. Es fehlt leider (vom Offenen Kanal abgesehen) generell eine nennenswerte journalistische Begleitung der Kommunalwahl. Die Wahlbeteiligung wird wohl bisher nicht für möglich gehaltene Tiefststände erkunden.

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Sonntag, Mai 24, 2009

Ödnis

Das Schöne an der Wahlberichterstattung der Magdeburger Volksstimme: Viel schlechter wird sie nicht werden. Seit einiger Zeit wird einem nun jeden Tag ein "Stichwort Stadtratswahl" entgegen geschleudert, dass an Ödnis selbst das Impressum noch weit hinter sich lässt. In wenigen, dürren Sätzen werden den, vermutlich nicht vorhandenen, Lesern absurde Fakten zu Themen wie Hundesteuer, Städtepartnerschaften, Straßenbenennungen, Verkehrsplanung, Denkmalschutz oder Parkgebühren um die Ohren gehauen. Diese Stichpunkte sind eine Eins-zu-eins-Übernahme von Texten der Stadtverwaltung, die diese auf ihrer Internetseite feil bietet. Wenn sich die journalistische Recherche im Copy & Past erschöpft, ist dies schon einmal grundsätzlich unerfreulich. Was als Info einer Stadtverwaltung noch in Ordnung sein mag (224 Parkscheinautomaten mit 4615 Stellflächen, Details zu Park-Tarifen), ist als Berichterstattung über die Magdeburger Stadtratswahl ... naja ... sagen wir mal ... ähm ... wenig hilfreich. Der ins Wachkoma getextete Leser kennt nun zwar die 224 Automaten und die Zuständigkeit des Stadtrates - wie mag ihm aber das bei seiner Wahlentscheidung helfen? Da wäre es doch sinnvoll, über die Geschichte der Parkgebühren in Magdeburg zu informieren. Welche politische Gruppe hatte welche Initiativen und Positionen? Was steht jetzt in den Programmen? Wo sind die Unterschiede? Selbst wenn man auf die bestehende Personalknappheit der Presse verweist - die aktuellen Positionen würden die Parteien wohl gratis zu arbeiten. Dazu Kommentar und eingefangene Meinungen interessierter Bürger und man hätte jeden Tag eine informative Beleuchtung eines Teilaspekts. Man müsste sich eben nur journalistisch interessieren und engagieren. Selbst die Berichterstattung über den Wahlkampf, wenn man mal vom Abdruck von Wahlkampfstandterminen (Gähn) absieht, wurde nach vielversprechendem Beginn eingestellt. Wenn nicht der Offene Kanal sich ehrenamtlich in die Inhalte stürzen würde, könnte man von der Abwesenheit des Wahlkampfes in den Medien sprechen. (Schon jetzt lässt sich sagen, dass der Volksstimme-Kommentar am 8. Juni die 33 % Wahlbeteiligung als Desaster für die politischen Akteure geißeln wird.)

Kehren wir zu den Niederungen der Restberichterstattung zurück. Im Wahlbereich 8 (Stadtfeld West, Diesdorf und Ottersleben) fordert Gerhard Thieme (SPD) härtere Strafen für Graffiti. Hüstel. Was haben Graffiti-Bestrafung und Raumfahrt gemeinsam? Richtig. Der Stadtrat ist nicht einmal annähernd zuständig! Er hat keinerlei Möglichkeit die Strafbarkeit oder den gesetzlichen Strafrahmen zu bestimmen oder gar konkrete Taten zu verfolgen und zu ahnden. Entweder ist der Kandidat gnadenlos populistisch oder von einer ergreifend geringen Sachkenntnis beseelt. (In letzterem Fall sollte dann aber die Volksstimme-Rubrik "Stichwort Stadtratswahl" mal so richtig auf Lunge genommen werden.)

Während die meisten Kandidaten tapfer versuchen etwas Inhalt in die ihnen zugestandenen paar Dutzend Zeichen zu pressen, gelingt es einigen Kandidaten auch auf engstem Raum nichts verwertbares zu sagen. Oliver-Boris Schilling (future) will Entscheidungen gerecht, sinnvoll und ehrlich treffen. (Nicht wirklich ein Alleinstellungsmerkmal. Bisher hat sich kein Kandidat zu ungerechten, sinnlosen und unehrlichen Entscheidungen als Wahlziel bekannt.) Außerdem soll Magdeburg stark, schön und gut werden. Tja. Eine schöne Stadt! Ein wirklich revolutionärer Gedanke! Auch Olaf Czogalla (SPD) (fordert eine pulsierende und liebenswerte Stadt) belastet die Wähler nicht unnütz mit inhaltlichen Anhaltspunkten.

Kommen wir zur Statistik. Beim Austesten der Organisationskompetenz der Parteien versagte diesmal die SPD, die zur Kandidatin Ruth Lockner jegliche Angaben oder gar ein Bild verweigert. Future und NPD kommen ohne örtliche Kandidaten aus.

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