Donnerstag, Dezember 10, 2009

Zeitlupe

Wiedereinmal tritt der Stadtrat zusammen, um über den Tunnel zu entscheiden. (Wenn das Thema so in 30, 40 Jahren mal abgeschlossen ist - wird es einem bestimmt fehlen.) Erhebliche Teile der Leserbriefschreiber schäumen vor Wut. Ziel des Zorns sind die Grünen, die durch hinterhältiges Anrufen des örtlichen Gerichts den bereits sicher geglaubten Tunnel des Grauens nun doch noch mal in Frage gestellt hatten. Da auch diverse Stadträte ähnlich denken, wird der Betonsarkophag allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit auch in der Zeitlupenwiederholung erneut zu Grundwasser gelassen.

Besonders kurios: Hans-Jörg Schuster (FDP), der für den Fall, dass es für den Tunnel nicht reichen sollte, statt mit Nein mit Ja stimmen will. Das setzt allerdings seherische Kräfte voraus, da man ja erst am Ende der Abstimmung weiss, ob es reicht oder nicht. Lustig auch, dass für seine Abstimmung nicht etwa die inhaltliche Frage (Tunnel Ja oder Nein) oder das auch schon wieder Wochen alte Wahlprogramm seiner Partei (FDP: Tunnel: Nein) relevant ist, sondern wie die anderen so stimmen.

Das leserbriefschreibliche Hau-den-Lukas hat durchaus einen beachtlichen Unterhaltungswert. Mahnend möchte man jedoch den Finger heben. Die Erhebung einer Klage ist die eine Sache, sie zu gewinnen schon noch eine andere. Da muss ein beachtlich dicker Hund begraben sein, wenn die Judikative sich berufen fühlt, der Legislative nochmal die Regeln zu erklären. Der wohlfeile Ruf "Aber die Mehrheit hatte entschieden!" ist nur bedingt hilfreich. Da gab es in der deutschen Geschichte schon weit spektakulärere Mehrheitsentscheidungen, die im Nachhinein nur noch von den Kühnsten als Höhepunkte der Demokratie gefeiert wurden. Auch für Mehrheiten gelten Regeln, deren Nichteinhaltung erstaunlichste Effekte hervorzaubert.

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Sonntag, Dezember 06, 2009

Ruprecht S.

Dieses Wochenende wurde einem von der Volksstimme mit zwei wirklich gelungenen Beiträgen versüßt. Da wäre zunächst selbstverständlich die intensive Berichterstattung über das geplante "Schrott-Wichteln" der CDU-Landtagsfraktion zu nennen. Die merkwürdige Mischung aus Bürokratie und Lustigkeit des in der Volksstimme gewürdigten Einladungsschreiben zur CDU-Fraktions-Weihnachtsfeier ist an sich schon ein literarisches Kleinode. Das von der Volksstimme im Bericht eingesetzte (fiktive?) sprachliche Bild einer Nikolaus-Travestie-Show mit Wigbert Schwenke als "Ruprecht" ... ja ... CDU-Weihnachtsfeiern werden gemeinhin unterschätzt.

Ein weiterer Höhepunkt: der Leserbrief von Manfred Finzelbergs aus Biederitz. Der Leser wendet sich ein, zwei Mal im Jahr an die breitere Öffentlichkeit zu eigentlich völlig unterschiedlichen Themen. Die letzten Leserbriefe waren dem Umweltschutz und dem Denkmalschutz gewidmet. Diesmal ist dem aktuellen Zeitgeist gehorchend der Tunnel Thema. Dies wäre nun keine hervorgehobene Würdigung wert, wenn die Lösung für die doch recht unterschiedlichen Problematiken nicht immer gleichlautend wären. Denkmalschutz, Umweltschutz, Tunnelverhütung, vermutlich aber auch ärgerliche Konsequenzen der Plattentektonik und Musik von Modern Talking könnten positiv beeinflusst werden, wenn endlich von Biederitz aus diagonal übers flache Land, durch die Kreuzhorst, über die Elbe und durch im Wege stehende Stadtteile für so ziemlich alles Geld der nördlichen Hemisphäre eine Straße zur A 14 oder nach Schönebeck gebaut würde. Mutmaßlich wohnt dort jemand den der Leser kennt. Vorteil des geforderten Straßenneubaus wären, dass die Biederitzer nicht mehr die vorhandene ostelbische Bundesstraße nach Schönebeck oder gar die A 2 zum Erreichen der A 14 nutzen müssten. Außerdem wäre das Geld endlich alle, womit sich viele finanzielle Sorgen dann ja auch irgendwie erübrigen.

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Mittwoch, Dezember 02, 2009

Alles auf Anfang

Ob man es nun glaubt oder nicht - der Magdeburger Stadtrat stimmt tatsächlich schon wieder über den Tunnel an den Bahnhofsbrücken ab! Das Schauspiel wird jetzt monatlich gegeben. Rein vom Unterhaltungswert - das muss man zugeben - haben diese Stadtratsaufführungen ein nicht unerhebliches Potential. Das Theater soll angefragt haben, ob der Stadtrat nicht vielleicht täglich..? So ab 20 Uhr..? Die anstehende Wiederholung des erfolgreichen Stücks ist dem Umstand geschuldet, dass das örtliche Verwaltungsgericht, auf die Klage der Grünen hin, gewisse Unzulänglichkeiten in der letzten, vom Stadtratsvorstand erfrischend unkonventionell durchgeführten Abstimmung erkannte. Dass die Art der Herbeiführung von Stadtratsentscheidungen in Magdeburg eine Qualität angenommen haben, die das Kippen von Beschlüssen ermöglicht, ist schon einigermaßen ungewöhnlich. (Kann bitte mal jemand gegen die Otto-Entscheidung klagen?)

Die ausgesprochen hastig für den 11.12.2009 angesetzte Sondersitzung verspricht unterhaltsam zu werden. Es gibt nämlich viele Fragen. Kann der Freund von Käptn Blaubär sich von den Berliner Verpflichtungen befreien und an der Abstimmung teilnehmen? Werden die FDP-Leute wieder mehrheitlich gegen das eigene Programm stimmen? Petzt einer den CDU-Räten, dass man gar nicht als Block abstimmen muss und eigene Meinungen nicht mehr zwangsläufig im Stadtratsverlies enden?

Nachdem der Oberbürgermeister in der Vergangenheit verbal der NPD die Wange tätschelte, bleibt die Frage, ob das auch diesmal reicht oder die NPD wieder in Vorkriegs... ähm.. Vorwahlpositionen verfällt und den Tunnel als Ausgeburt kapitalistisch/bolschewistischer Verschwendungssucht ablehnt.

Zieht der Stadtratsvorstand diesmal die Daumenschrauben noch fester und verbietet Diskussionsbeiträge gänzlich? Macht es Stadträte eigentlich stutzig, dass die Stadtverwaltung zwar bei den juristischen Erfordernissen von Tunnelbauten sich auf der Höhe der Zeit wähnt, aber mit dem Ergebnis einer simplen Durchführung einer Ratsabstimmung vor der Justiz Schiffbruch erleidet?

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