Sonntag, August 30, 2009

Wohlsein

Der Bundestagswahlkampf hat gerade verblüffend an Fahrt aufgenommen. Strahlende Sozialdemokraten feiern Landtagswahlergebnisse zwischen 10 und 25 %. (Hätte früher zu wahren Rücktrittsorgien geführt.) Auch FDP, Grüne und Linke sind glücklich - nur die CDU als stärkste Partei schaut miesepetrig drein. Ausscheidende Ministerpräsidenten gelten nuneinmal als schwervermittelbar. Irgendwie war früher die politische Landschaft übersichtlicher.

In Sachsen-Anhalt geht derweil alles seinen beschaulichen Gang. Der amüsierte Blick der politischen Öffentlichkeit richtet sich auf den Stadtrat der Stadt Staßfurt. Dort wird nämlich während (!) der Stadtratssitzung ordentlich dem Alkohol zu gesprochen. Nachvollziehbarer Weise wurden bedenken erhoben, ob Stadträte, denen man am Sitzungsende die Fahrzeugschlüssel nicht mehr aushändigen darf, zuvor noch über die örtliche Verkehrsgestaltung befinden sollten. Versuche dem ehrenamtlichen Teil der Staßfurter Stadtverwaltung während der Arbeitszeit die Pullen aus den verkrampften Händen zu reißen, scheiterten jedoch kläglich. Ein Jochen Meyenberg (Linke) sieht ein dringendes Erfordernis auch während der Stadtratssitzung sich Alkoholitäten einzuflößen: "Wenn ich zum Abend ein Bier trinken will, wird man mir als Erwachsenem das wohl noch erlauben." Tja. Wer wollte ihm seine Promille verwehren? Wer würde so herzlos sein? Gerade die Entscheidung komplexer Sachverhalte und das sachliche Abwägen von unterschiedlichen Meinungen in mehrstündigen Verhandlungen, macht sich bekanntlich entschieden besser, wenn der Diskussionspartner mit hochrotem Kopf und ins Lallen drehender Stimme die Argumentationskette der (nüchternen?) hauptamtlichen Verwaltung mit einem kräftigen Proost! unterstreicht. (Ob da hin und wieder aus alter Gewohnheit auch mal ein Toast auf die Deutsch-Sowjetische-Freundschaft ausgebracht wird?) Gerade Angelegenheit der Jugendhilfe können im nüchternen Zustand doch nicht ernsthaft erwogen werden! Vielleicht wird es ja ein liebevoll gepflegter regionaler Brauch? Wieso sollten die Mitarbeiter in den Staßfurter Amtsstuben sich bei drohenden Bürgergesprächen nicht mit ausreichend Alkohol wappnen dürfen? Möglicherweise lässt sich eine unter Alkoholeinfluss zustande gekommene städtische Satzung auch nur unter Alkoholeinfluss ordnungsgemäß umsetzen? (Ist die Linke nicht ohnehin für die Legalisierung von Drogen? Sollten sich für Angestellte im öffentlichen Dienst in Staßfurt da noch ganz andere Erfahrungspotenziale eröffnen?)

Andererseits. Es gibt Gerüchte, dass weitere ehrenamtliche Funktionsträger jetzt nach dem Staßfurter Modell verfahren wollen. Wenn ersteinmal ehrenamtliche Richter in Gerichtsprozessen beherzt die Kronkorken knallen lassen und nach einem ergreifenden Gesang ("Ein Prosit der Gemütlichkeit!") den Gerichtsreporten in die Blöcke rülpsen, dass sie als Teil der Judikative im Bierkonsum der Exekutive bzw. Legislative nicht nachstehen, sollte man die Meyenbergsche Theorie doch noch einmal kritisch hinterfragen.

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Mittwoch, April 09, 2008

Bergbaufolgeschäden als glückliche Fügung

Die (Ober)bürgermeisterwahlen in Sachsen-Anhalt reißen nicht ab. Derzeit sorgt Staßfurt für Erheiterung. Da der Ort im Salzlandkreis liegt, sind die Wahlen zunächst durch Austritte bei der CDU gekennzeichnet. Eine Art liebenswertes regionales Brauchtum, dass man aus Schönebeck, nördliche Grenzfeste des Kreises, übernommen hat. Wie immer (scheint eine interne Dienstanweisung zu sein) wollen mindestens zwei aus der CDU auf den Wahlzettel. Da es nur einer werden kann, tritt dann der mit dem kürzeren Streichholz aus und dann als Einzelbewerber an. Im Staßfurter Fall: Klaus Stops. Er gewann dann auch - allerdings nur den Trostpreis als bester Kandidat, der bis neulich noch in der CDU war (11,64%). In diesem schönen aber sinnfreien Duell unterlegen war der offizielle CDU-Kandidat Eric Maindok (11,47 %). Als Kollateralschaden ist der Austritt des noch amtierenden Bürgermeisters Martin Kriesel aus der christlichen Volkspartei zu vermelden. Er warf den Ex-Parteifreinden Fehlleistungen und Intrigen vor - möglicherweise nicht völlig aus der Luft gegriffen.

Die örtliche SPD (im Gegensatz zu Schönebeck tritt man tatsächlich an!) will natürlich nicht nachstehen. Neben Michael Hauschild (SPD) trat daher auch noch Christel Stenner (SPD) an. Letztere versagte allerdings mit 2,62 % so schmählich, dass es für Hauschild mit 18,49 % überraschend für die Stichwahl reicht. Die wird er gegen René Zok (Einzelbewerber; 23,83 %) zu bestehen haben. Interessanterweise traten in Staßfurt gleich 10 Kandidaten an - nur unwesentlich weniger als Wähler. Locken da im Rathaus irgendwelche gesonderten Vergünstigungen? Drogen? Sex? Ausreisegenehmigung?

Übrigens haben 60 % der antretenden Kandidaten die Wahl nun angefochten. Das macht sicherlich Sinn. Schließlich klebte ein Plakat von Zok illegal auf einem Trafohäuschen, ohne das der Bürgermeister eingriff! Los. Macht Neuwahlen. Wir wollen unseren Spass. Früher hiess es ja immer, dass Staßfurt aufgrund der Aushöhlung des Stadtgebiets durch den Salzabbau langsam aber sicher im Boden versinkt. Das wäre schon irgendwie konsequent.

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