Montag, Juli 09, 2007

Von Säulen und Pferden

Neben der regelmäßig wiederholten Tunneldebatte gibt es noch einen weiteren Fixpunkt in der Magdeburger Kommunalpolitik - moderne Kunst im öffentlichen Raum. Eine Giftmüllverklappung am Domfelsen würde wesentlich weniger Diskussionsbedarf auslösen als die Platzierung einer Skulptur in einem beliebigen Hinterhof. Seit einigen Jahren wird Tony Craggs-Stück "Wie kröne ich den Universitätsplatz?" aufgeführt.

Im groben gibt es zwei Lager. Da sind die Traditionalisten: "Kunst? Das ist ein Pferd aus Bronze mit einem Mann drauf!" Die Blickrichtung des Pferdes unterliegt der künstlerischen Freiheit. (Mit der Aufstellung der halben Pferde am Breiten Weg hat dieses Lager bei sicher geglaubtem Sieg eine verheerende Niederlage erlitten.) Die Traditionalisten wollen auf dem Uniplatz natürlich am liebsten ein ..tja... Pferd halt. Also das alte Kaiserdenkmal (Kaiser auf Pferd) würde sich dort wieder hervorragend machen. Kritiker wenden ein, dass sich die Monarchie als nicht wirklich tragfähige Konzeption erwiesen hat und insofern ein entsprechendes Denkmal verzichtbar wäre.

Die andere Gruppe sind die Craggianer. Sie wollen die Skulptur von Tony Cragg (Points of view) errichtet wissen. Drei Säulen sich windender Bronze die Silhouetten von Gesichtern erkennen lassen. 12 Meter hoch. Kostenpunkt so ca. 900.000 € - aus privaten Mitteln (wenn es klappt). Skeptiker wenden ein, dass diese Säulen nun bald in jeder Stadt mit mehr als 10.000 Einwohner stehen. Da könne man ja gleich ein Hundertwasserhaus in die Innenstadt bauen. Oder so. Die Traditionalisten wenden ein, es sei kein Pferd zu erkennen.

Die Diskussion brandet regelmäßig, alles mitsich reißend, durch die städtischen Gremien und quer durch die Ratsfraktionen. Um das Niveau der kulturellen Diskussion zu veranschaulichen, sei darauf hingewiesen, dass Reinhard Stern (CDU) bei der Frage der Platzgestaltung ausdrücklich die Interessen des Einzelhandels gewahrt wissen will. Danach ist der Versuch Alfred Westphals (Grüne) die Säulen per Gerüstbau zu imitieren der sichere Todesstoß für den innerstädtischen Handel. Schade, Schade.

Andere Vorschläge spielen leider derzeit keine Rolle. Die schöne Idee einer Barleber Künstlerin die Straßenbahn an dieser Stelle durch eine Art Geisterbahn zu schicken, wird leider nicht umgesetzt. Dort einfach 500 Tonnen Zuckerrüben verrotten zu lassen, gilt als zu avantgardistisch. Außerdem - mit Essen spielt man nicht.

Als Kompromiss wird vorgeschlagen einen 15 Meter hohen Gartenzwerg zu errichten. Der wäre mehrheitsfähig. Traditionalisten würden ihre Freunde aus dem Vorgarten wieder erkennen. Craggianer könnten, wenn Cragg den Zwerg entwirft, darin ein Symbol für die Dualität der Stadt sehen. Gefangen zwischen nicht verwundener Vergangenheit und dem Wunsch nach Kuschligkeit einerseits und den Herausforderungen der Globalisierung und der Moderne andererseits.

Man muss es abwarten. Sollten die Craggianer die Mittel aufbringen können - es wäre verrückt den Säulenhain nicht zu nehmen. Verrücktheiten sind der Stadt allerdings nicht fremd. Wer dem Craggschen Entwurf mangelnde Originalität vorwirft, mag sich trösten - die gefühlte 100. Stadt mit solchen Säulen zu sein, ist doch auch wieder ein wunderbares Bekenntnis zu unserer Funktion als ganz wichtige Provinzstadt.

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1 Comments:

Anonymous Anonym said...

es gibt auch moderne "Hutkunst" in Magdeburg - sogar eine Stadträtin, die auch in der CRAGG-Debatte eine peinliche Rolle spielt, ist "gut" im Volksstimme-Bild zu sehen - jeder blamiert sich eben, so gut er kann

9:20 AM  

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