Sonntag, September 13, 2009

Im Spiel der Gezeiten

Die Kommunalverwaltung Istanbuls räumt ein, dass die Bebauung von Flussbetten vielleicht doch nicht bis in die letzte Konsequenz zu Ende gedacht worden war. Man plant da wohl eine revolutionäre Umorientierung und will die Bebauung zukünftig auf nicht wasserführende Gebiete beschränken. Ein interessanter Gedanke.

Ob es in Istanbul auch eine IG Innenstadt gibt? Die fachliche Untersetzung der bisherigen Planung lässt es vermuten.

Die Magdeburger IG Innenstadt hat sich gerade das dritte Mal eine Meinung zum Innenstadttunnel gebildet. Das ist recht häufig, wenn man bedenkt, dass es Ratsfraktionen gibt, die sich bisher noch nie eine Meinung gebildet haben. Erst war man deutlich dafür. Dann war man entschieden dagegen ("Unsinn"), nun ist die IG Innenstadt wieder dafür. Mit der Gleichmäßigkeit der Gezeiten bricht die wechselnde Meinung Arno Frommhagens über die Stadt herein. Auch wenn man jeweils mit aller Entschiedenheit die eigene Meinung vertritt, hilft der Grad der Entschiedenheit dann nicht zu gesteigerter Wertschätzung, wenn man die Positionen im Monatsrhythmus wechselt. Es gab schon länger Gerüchte, dass die Interessengemeinschaft Innenstadt von örtlichen Kabarettisten fremdgesteuert wird und lediglich als satirischer Feldversuch dient. Die nun von der IG aufgestellten "Forderungen" dürften als Beweis für den kabarettistischen Charakter der Vereinigung dienen:

1. fordert man: "ein kluges Verkehrskonzept". Tja. Das ist ja mal ein neuer Ansatz. Die offensive Forderung eines blöden Verkehrskonzeptes hätte allerdings noch mehr überrascht. Wobei. Man könnte gut die Ansicht vertreten, dass die Begriffe "Tunnelprojekt am Bahnhof" und "kluges Verkehrskonzept" sich diametral gegenüber stehen, ja, sich sogar gegenseitig ausschließen. (War gestern übrigens noch die Ansicht der IG.)

2. Senkung der Parkgebühren in der Innenstadt während der Bauphase. Die Einrichtung einer Luftbrücke wäre da hilfreicher.

3. eine Werbekampagne für die Innenstadt in der Bauzeit. Das hilft natürlich. (Hier mal ein erster Vorschlag: "Magdestadt Ottoburg. Genießen sie das urbane Leben an der Baustelle unserer vierspurigen Innenstadtschnellstraße mit den malerisch auf- und abführenden Rampen. Verbringen Sie noch einmal dort Zeit, wo zukünftig der Schwerlastverkehr für eine internationale Note sorgt.")

4. Kompensation für ein zeitweise gesperrtes Parkhaus. (Ach du meine Güte. Ob das Parkhaus nun leersteht, weil keiner kommt oder es leersteht, weil keiner kommt und es gesperrt ist - das wäre jetzt nicht so entscheidend.)

Alle Achtung. Knallharte Forderungen. Die reißen es raus.

Wie kam es zu dem erneuten Stimmungsumschwung bei der IG? Die IG Innenstadt vermutet jetzt, dass eine seit unerdenklichen Zeiten bestehende Genehmigung für die Durchfahrtshöhe der Straßenbahn an der Bahnhofsbrücke aufgehoben werden könnte, wenn die (Bundes)Bahn ihre Brücke erneuert. Da muss man vorsichtshalber gleich eine höhere Brücke bauen. Und einen Tunnel. Das ist zwar grober Unfug, aber mit Innenstadthändlern kann man es ja machen. (Hoffentlich merkt nicht noch einer, dass mit der gleichen Argumentation auch ein Tunnelbau in der Hallischen Straße unvermeidbar würde.) Weitere Gründe? Keine. Der vom Baubeigeordneten Dieter Scheidemann großzügig zur Verfügung gestellte und auf den Rücken geschnallte (Durchfahrtshöhen-)Bär genügt der IG, ein städtebauliches Innenstadt-Desaster zu akzeptieren, wenn zeitweise geworben wird.

Mal ein grundsätzlicher Gedanke zur Planung der Innenstadt? Wie wirkt sich das aus? Wie geht es dann weiter? Auf eine dermaßen an der Innenstadtgestaltung desinteressierte "Interessengemeinschaft" Innenstadt könnte man gut verzichten. Da hat sie mit dem Tunnel was gemeinsam.

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9 Comments:

Anonymous Anonym said...

Im Gegesatz zu Hilde glaube ich in dieser Stadt nicht mehr an Zufälle. Warum hat sich die Meinung geändert? Welche Zuwendungen bekommt die "IG" von der Stadt und wer ist die Stadt? Welche der handelnen Personen sind vieleicht noch in anderen der Gesellschaften der Stadt Mitglied? Fragen über Fragen!

6:28 PM  
Anonymous Brückenbauer said...

Warum tut die Stadt das? Und wer ist das genau?
Wenn der OB am Dienstag seine Tunnelshow zeigt, werden sicher ein, zwei Claqueure dabei sein. Vielleicht ja auch von der IG I.

8:50 PM  
Anonymous Anonym said...

Die Presseinfo der IG Innenstadt, Teil 1

Die IG Innenstadt diskutierte auf ihrer jüngsten mitgliederoffenen
Vorstandssitzung (7. September 2009) mit dem Baubeigeordneten Dr.
Dieter Scheidemann und Tiefbauamtsleiter Thorsten Gebhardt die Baupläne unter den Bahnhofsbrücken. In einem intensiven und von gegenseitigem
Respekt geprägten Gespräch erläuterte die Stadtverwaltung das aus ihrer Sicht notwendige Tunnelprojekt. Die IG Innenstadt hält nunmehr eine Baumaßnahme unter den Bahnhofsbrücken, insbesondere unter dem Aspekt der dringend notwendigen Erneuerung der Bahnbrücken sowie der Modernisierung und Vergrößerung eines wichtigen Abwasserkanals, für
nachvollziehbar. Nichts desto trotz fordert die IG Innenstadt eine nochmalige Prüfung, ob die
derzeitig geltende Ausnahmegenehmigung bezüglich der Durchfahrtshöhe für ÖPNV und Individualverkehr unter den Bahnhofsbrücke (4,30 Meter
sind normalerweise vorgeschrieben) nicht doch verlängert werden kann.
Sollte eine solche Ausnahmegenehmigung trotz intensiver Bemühungen seitens der Stadt nicht verlängerungsfähig sein, wird sich auch die IG
Innenstadt dem Bauprojekt nicht mehr verschließen. Da inzwischen von 2 Ankermietern des City Carre ein eventuelle Aufgabe ihres jetzigen Standorts im City-Carré wegen der langen Bau- und Sperrzeit durch das Bauprojekt
signalisiert wurde, wünscht sich die IG Innenstadt eine intensive
Einbeziehung der Betroffenen in die Bauplanung und –durchführung.
Verkehrszählungen der Stadt haben ergeben, das täglich 36 000 Pkw mit 60000 bis 70 000 Insassen über den Damaschkeplatz/Kölner Platz in beide Richtungen fahren. Weitere 27000 Menschen kommen mit dem ÖPNV auf diesem Weg täglich in die Innenstadt bzw.verlassen diese. Wer wirtschaftlich denkt, kann leicht nachvollziehen, dass die IG Innenstadt während einer
angekündigten mehrjährigen Bauzeit Umsatzverluste zwischen 10 und 30
Prozent im innerstädtischen Einzelhandel und Gastronomie erwartet. Die IG Innenstadt schätzt, das in der Folge zwischen 100 und 200 Arbeitsplätze
verloren gehen. Grund: Besucher aus dem Umland nutzen den Jahrzehnte gewohnten Weg in die City und meiden aus Angst vor dem
Großstadtverkehr bzw. ungewohnter Routen andere Alternativen
(Schleinufer bzw. B1).

9:13 PM  
Anonymous Anonym said...

Die Presseinfo der IG Innenstadt, Teil 2

Die Mitglieder der IG Innenstadt können durchaus nachvollziehen, dass die Tunnelvariante ein für die nächsten 100 Jahre bedeutendes Projekt ist. Dennoch gibt die IG zu bedenken, dass der Tunnel nicht alle Probleme löst. Der Rückstau wird lediglich an die Kreuzung Weinarkade verlagert, da dort
die Durchlassfähigkeit nicht gewährleistet ist. Zudem prognostiziert die IG
einen zunehmenden Lkw-Verkehr in die Innenstadt, der bisher durch die niedrige Durchfahrtshöhe unter den Bahnhofsbrücken die Strecke nicht passieren konnte. Dadurch befürchtet das City Carré einen erheblichen Rückstau in die eigene Tiefgarage, da nur noch ein Rechtsabbiegen möglich ist. Derzeit nutzen über 70 Prozent der Tiefgaragennutzer die Nordausfahrt
(Ernst-Reuter-Allee) des City-Carré. Um ein wirtschaftliches Desaster für die Unternehmen der Innenstadt
während der Bauzeit zu verhindern, appelliert die IG Innenstadt an die
Verwaltung und den Oberbürgermeister, rechtzeitig und offen in einen Dialog zu treten. Drei Punkte sind für die IG Innenstadt dabei von entscheidender Bedeutung:
1. ein kluges und weitreichendes Verkehrsleitkonzept für den
Individualverkehr in die Innenstadt
2. einen Anreiz für Kunden, um die Innenstadt trotz der Einschränkungen zu besuchen (deutliche Senkung der Parkgebühren)
3. eine finanzielle Beteiligung von Stadtverwaltung und Bahn AG an einer Werbekampagne, vor allem im Umland. während der Vollsperrung unter den Bahnhofsbrücken
4. eine Kompensation seitens der Stadt für die Sperrung der Tiefgarage Nord des City-Carré während der Bauzeit. Nur mit diesen Maßnahmen sei ein wirtschaftliches Desaster zu verhindern. „Wir sind auf Käufer aus dem Umland angewiesen. Von einer langfristigen
Sperrung der Innenstadt sind besonders die kleinen Einzel- und Fachhändler betroffen. Ihnen müssen wir helfen, um ihr Überleben zu sichern“, sagt IGVorstandssprecher Arno Frommhagen. Die IG Innenstadt erneuert ihre Forderung nach einer Öffnung des Bahnhofsvorplatzes für den Individualverkehr –als Einbahnstraße in Richtung Hasselbachplatz. Dadurch könnten Rechtsabbieger gleich hinter
den Bahnhofsbrücken ausweichen und entlasten so den Stau an der
Kreuzung Weinarkade. Auch die Idee der Bürgerinitiative gegen den
Tunnelbau, künftig alle stadteinwärtigen Straßenbahnlinien vor dem Hauptbahnhof halten zu lassen, ist aus Sicht der IG Innenstadt zu unterstützen.

9:15 PM  
Anonymous Brückenbauer said...

Welchen Vorteil hat der Tunnel? Wenn ich Gebhardt und die IG I richtig verstanden habe: keinen. Es geschieht alles nur, weil die Bahn die Brücke erneuert und Daehre Fördergeld loswerden will. Da hilft mir auch nicht die Vision der hundert Jahre.

Und mal ehrlich, brauchen schrumpfende Städte (Demografie, meine Herren und Damen!) immer noch mehr Straßen, Tunnel, Straßenbahnlinien? Fahren wir demnächst mehrere Autos gleichzeitig? Wenn der grenzenlose Ausbau von Straßen sinnvoll wäre, obwohl wir weniger Einwohner sein werden, warum baut die Wobau dann nicht noch ein paar schöne Zehngeschosser, wahlweise neben der Elbeschwimmhalle oder auf der Wiese neben dem Rathaus? Würde der IG I sicher gefallen. Arno Frommhagen, Ihr Kommentar bitte!

9:40 PM  
Anonymous Ditmar said...

Sehr schön, daß man hier mal die Pressemitteilung der IG I zu sehen bekommt. Wie wäre es, wenn die IG I diese Mitteilungen nicht nur an die Volksstimme schickte, sondern auch an andere Medien oder noch besser die PM auch auf ihrer Homepage veröffentlichte? Da schläft es gewaltig bei der IG.

11:59 PM  
Anonymous Jörg said...

Ach Gottchen,

zum wievielten Male dieselbe Leier?

Hilde, leg Dich wieder hin.....

Jörg

Verwunderlich ist schon, daß nach dem Theater um einen Schlitz in einer alten Stützmauer am Schleinufer (inzwischen Zugang zur Bastion Cleve) und dem Lamento über einen klinkergemauerten Aufzugsschacht an der Lukas-Klause bisher keine Zeit blieb, der aktuellen Kistenfabrik einen Dreizeiler zu widmen.

2:01 PM  
Anonymous Zwirn said...

IG I: kennt ihr die Metapher vom Damoklesschwert? Hier bitte: http://de.wikipedia.org/wiki/Damoklesschwert
Nur, um nicht gleich dem nächsten Trug zu verfallen: IHR, liebe IG, seid Damokles!!

12:27 AM  
Anonymous Manuela Hasenfuß said...

Das ist eine sehr gut gewählte Metapher ... Welch' Übertragngswert in seiner Weisheit und dennoch aktuell wie zu vergangenen Zeiten ... "Der Mensch, wie er leibt und lebt!" ...

1:59 AM  

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