Mittwoch, März 19, 2008

Welle Meyer

"Mach doch keine Welle Meyer!", hätte man ihm (etwas kallauernd) noch schnell zu rufen sollen, dem Magdeburger Theaterintendanten Tobias Wellemeyer. Nach einer wie üblich kulturvollen Kulturdebatte im Magdeburger Stadtrat (natürlich zum Thema Cragg auf dem Uniplatz), konnte der Intendat ein Zerreißen der eigenen Halsschlagader nur dadurch verhindern, dass er in wohl gesetzten Worten seine eigene Bilanz des Martyriums zog, welches sich an den Ratsmikrofonen ereignet hatte: "Hier haben rückwärtsgewandte, dumpfbackige Provinzler entschieden; hier hat sich Blockwartsmentalität zusammengefunden."

Das ist zwar fast schon ein billiger Allgemeinplatz, aber zwischen "Recht haben" und "dafür keine Dresche beziehen" ist eben doch ein gewisser Unterschied. Die Ratsseele kocht! Man stört sich weniger an der Outung als "dumpfbackiger Provinzler" - das sollen ja manche als Ausbildungsberuf angegeben haben. Das Problem ist der ehrenwerte Beruf des Blockwarts. Die große Zeit der Berufsgruppe war ja bekanntlich in der Zeit des Nationalsozialismus. (Seit dem keine Verdunklung mehr befohlen ist, hat die Freude am Beruf stark nachgelassen.) Damit verstösst der Vergleich aber gleich gegen beide ehernen Grundsätze der Öffentlichkeitsarbeit. 1. Keine Nazi-Vergleiche! 2. Auf gar keinen Fall Nazi-Vergleiche!! (Frau Eva Hermann wird sich erinnern.)

Anzumerken bleibt, dass die öffentliche Bezeichnung des Arbeitgebers, der in kürze über den Fortbestand des Arbeitsvertrags entscheidet, als "dumpfbackig" auch so schon eine beachtliche Portion Mut erfordert.

Auch wenn Wellemeyer nun per Entschuldigung die Notbremse zog, kann man der Stadt zumindest insoweit gratulieren, dass sie einen Theaterintendanten hat, der nicht bürokratenmäßig, opportunistisch mit süßsaurem Gesicht Allgemeinplätze zur wertvollen Kulturlandschaft absondert, sondern es auch mal krachen lässt. Eine leise, fiese, zynische Bemerkung über die Qualität der Kulturpolitik der Gartenzwerg-Fraktion wäre zwar schöner gewesen, aber nach einer Kulturdebatte im Stadtrat kann man von Niemandem verlangen, noch Herr aller seiner Sinne zu sein. Mildernde Umstände, Euer Ehren!

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7 Comments:

Anonymous Anonym said...

>>Eine leise, fiese, zynische Bemerkung über die Qualität der Kulturpolitik der Gartenzwerg-Fraktion wäre zwar schöner gewesen<<

Jetzt liegst Du aber daneben. Wellemeyer gehört doch selbst zur Gartenzwerg-Fraktion, hat schließlich auch einen beigesteuert. Oder sehe ich da was falsch?

2:34 AM  
Anonymous Anonym said...

Vielleicht lassen sich die Cragg- Befürworter dazu hinreißen, dem Magdeburger Zoo ein Walroß mit gelben Leinenzelt zu sponsern..

8:49 PM  
Anonymous Anonym said...

herr wellemeyer hat - sowie weitere mitarbieter des theaters - in vorbildlich spießiger weise einen gartenzwerg beigesteuert. allerdings einen kleinwüchsigen. auf dem foto in der volksstimme sieht man den auch. ich hoffe ja noch, dass der entwurf mit den zwergen die stadträte überzeugt und eine mehrheit findet. übrigens sind die zwerge inzwischen von einem kunstliebhaber (unbekannt) entwendet worden. frohe ostern!

2:47 PM  
Anonymous Anonym said...

Wer sich als "Blockwart" beschimpft sieht, ein "Sammelbegriff für meistenfalls rangniedrige Funktionäre der NSDAP und ihrer Nebenorganisationen", gleichzeitig dem hochbezahlten und überschätzen Impressario mit monopolistischem Kunstverständnis das Jobticket für x more years ausstellen soll, der darf sich zurecht veralbert vorkommen.

12:37 PM  
Anonymous Anonym said...

Ganz so viel Mut war wohl doch nicht nötig - der Vertrag in Potsdam war sicher schon unterschrieben.

4:40 PM  
Anonymous Anonym said...

Da kann noch kein Vertrag unterschrieben sein, da der Stadtrat in Potsdam noch nicht über den Personalie entschieden hat. Nr. 1 auf einer Liste zu sein, das bedeutet noch lange nicht, dass man den Job auch bekommt. Und die Damen und Herren im dortigen Stadtrat werden sicher das "Wellemeyer-Zitat" aus MD mittlerweile kennen und damit wissen, was ihn blüht, wenn sie sich auf diesen "Amtsverweser" einlassen.

11:00 AM  
Anonymous Anonym said...

In Potsdam kann der dortige OB allein über die Personalie entscheiden. Dies ist Aufgrund der dort gewählten Rechtsform des Theaters so. Eine gesonderte Stadtratsentscheidung wird es also nicht geben.

3:11 PM  

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