Mittwoch, September 26, 2007

Wo sich Haase und Czarnetta Gute Nacht sagen

Die Politologenzunft sieht andächtig auf die Oberbürgermeisterkandidatenkür der Schönebecker CDU. Dort war nun ein besonderes Phänomen zu beobachten. Gleichzeitig wurden die Nummern "Amtsinhaber haftet so fest am Stuhl, dass er auf seine Partei pfeifft" und "fliegender Ortsverband" aufgeführt. Einzeln wurden die Kabinettsstückchen schon öfter gezeigt. In dieser Konstellation war es allerdings ein ausgesprochen seltenes Schauspiel. Sozusagen ein Trüffel unter den politischen Verrenkungen unserer Zeit.

Die Klebeaktion ist recht beliebt. Nach einigen Äonen halten sich die geschätzten Amtsverweser für so unersetzlich, dass alles andere als eine einstimmige Nominierung durch die ursprünglich einmal entsendende Partei eine schwere Majestätsbeleidung darstellt. Sollte eine Partei sich erdreisten (unter Umständen auch noch aus inhaltlichen Gründen) von einer Neunominierung abzusehen, wird die Partei mit dem Austritt des Gottkönigs abgestraft. Der Herniedergestiegene tritt dann als Einzelkandidat an und wird vom Volk aus alter Gewohnheit natürlich auch gewählt. Die Dessauer konnten sich an so einem, auf sozialdemokratischer Bühne aufgeführten, Schauspiel bereits erfreuen. Nun brilliert Hans-Jürgen Haase (bisher CDU und Oberbürgermeister Schönebecks) in dieser Rolle.

Das Konzept des fliegenden Kreisverbandes war bisher vor allem ein in der CDU des nördlichen Sachsen-Anhalt gepflegtes Brauchtum. Bei Nominierungsveranstaltungen lungern ja eh die üblichen Verdächtigen rum. Wenn nun ein Kandidat seine Wahl etwas absichern will, bietet sich folgendes Vorgehen an. Die Freunde aus dem Kegelklub, Golfklub, Heimatverein, Taubenzüchterverein, anonymen Alkoholikern etc. werden vom beabsichtigten Griff nach der Macht in Kenntnis gesetzt. Sie entdecken geschlossen ihr Interesse an der auserkorenen Volkspartei und treten bei. Sie werden an den Abstimmungsort gekarrt und wählen dann wie am Stammtisch besprochen. Dieser überraschende Block aus Kurzzeitmitgliedern wirbelt die Mehrheitsverhältnisse unter den üblichen Verdächtigen enorm durcheinander. Der Sieg des Vereinsfreundes ist nur mit formellen Tricks noch aufzuhalten. In Schönebeck schien es dem Herausforderer Eckhard Czarnetta (CDU) sinnvoll, Schwiegermutter, Schwiegerpappa, zwei seiner Racker und die gute Ehegattin an die Wahlurne zu treiben. Von weiteren Freunden wird gemunkelt. Die Volksstimme wittert 15 Neueintritte. Czarnetta gegen Haase 29:16.

Runde eins ging damit erwartungsgemäß an den Kandidaten mit dem deutlich größeren Clan. Tja die CDU ist halt noch eine echte Familienpartei. Haase schlug nun den besagten Haken und konterte mit der Klebeaktion. Durchaus denkbar, dass er am Ende aber doch die Löffel (um mal im Bild zu bleiben) vorne hat.

Übrigens. Beide Kandidaten sicherten sich vor der Wahl die gegenseitige "uneingeschränkte Unterstützung" zu. Vor der Wahl macht die Geste des großen Parteisoldaten auf das Parteivolk ungemein Eindruck. Nach der Wahl ist dann egal. Merke: Wenn einem jemand die uneingeschränkte Unterstützung zusagt - sooofort ducken. Der führt Übles im Schilde.

Beide Kniffe und auch die "uneingeschränkte Unterstützung" sind natürlich absolut unterste Schublade. In zivilisierten Gegenden wurden diese Praktiken im Zuge des Westfälischen Friedens von 1648 geächtet. Wer sowas macht, darf allerhöchstens noch Bürgermeister von ... naja .... Schönebeck werden. Recht geschieht ihm!

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1 Comments:

Anonymous Anonym said...

sehr guter blog, werde hier mal oefter vorbeischauen.

6:28 PM  

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