Dienstag, Dezember 05, 2006

Bockwurstdemokraten

Der Spiegel gönnte uns Normalsterblichen in seiner jüngsten Ausgabe mal einen spannenden Blick auf die Funktionsweise eines CDU-Parteitages. (Vermutlich ließe sich der erhobene Befund auch noch auf die ein oder andere Partei ausdehnen.) Dirk Kurbjuweit berichtet im Spiegel, der Strandhaubitze der Demokratie, wie die werten Delegierten, statt den wegweisenden Reden zu lauschen, sich bei Bockwurst und Fisch mit Linsen (!) verlustierten. Dies obwohl die Reden, nach Angaben des Spiegels, interessant und kontrovers gewesen seien. Abgesehen davon, dass die Buffets früher auch schon besser waren, ist der Feststellung Kurbjuweits, hinsichtlich der weitgehenden Sinnentleerung der inhaltlichen Teile von Parteitagen nur zuzustimmen. (Wäre da nicht die mehrfach verwendete Methapher des "Superversteckkindes" - darf man beim Spiegel eigentlich trinken? - der Bericht hätte einen Journalismuspreis verdient.)

Leider gibt es auf die Frage nach dem Warum der Sinnentleerung eine klare Antwort. Schuld ist: Der Spiegel! , die Presse im Allgemeinen und das Fernsehen im Besonderen. Letztlich sogar der garstige Wähler selbst. Ein kontroverser Parteitag, auf welchem kontrovers die Meinungen aufeinander prallen und der richtige Weg erstritten wird, ist ungemein spannend. Und reinstes Wahlgift! "Die streiten sich ja nur!" "Kann da nicht mal einer ein Machtwort sprechen? Hat die ihren Laden nicht im Griff?" Die Parteitagsregie hat daher seit geraumer Zeit die Parteitage zu Schaufensterveranstaltungen degradiert. (Die Amerikaner (Konfetti!) haben es wie üblich bereits bis in den Wahnsinn getrieben) Die Entwicklung ist vom Wähler so gewünscht, aber pure Langeweile, auch für Delegierte. Spannend sind bloß noch die Prozentwerte der Spitzenleute. Über 90 % ist o.k. Bei unter 70 % ist der Wurm drinn. Inhaltlich wird alles wesentliche (zumindest bei den großen Parteien) anderswo abgekaspert und sei es auf der Herrentoilette des Bundestags. Leidtragende der Entwicklung ist, neben der interessierten Öffentlichkeit, vor allem auch die innerparteiliche Demokratie. Die Entscheidungsprozesse sind nicht transparent und entsprechend unattraktiv auch für die eigenen (normalsterblichen) Mitglieder. Gegenmittel? Eigentlich keines. Vielleicht erkennen die Wähler und die Parteien aber auch, dass Show pur in der Branche öde und hohl ist.

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